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Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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vorgesehenen Parkplatz vor der Bücherei. Wir stiegen aus und trafen uns wieder an der Rückseite des Wagens.
    Die Tidwell Leihbücherei lag nur ein paar Blocks vonder Markham Street und dem Depot entfernt. Ich sah mir aufmerksam die Gesichter aller Leute in der Straße an. Ich wusste, dass Jude vielleicht irgendwo in der Nähe sein könnte. Wenn diese Straße der Markham Street ähnelte, dann wäre die Gegend spätestens bei Sonnenuntergang menschenleer.
    Talbot öffnete die Heckklappe des Vans. »Na komm, lass uns anfangen.«
    Ich zog eine Kiste aus dem Wagen und wäre angesichts der Schwere dieses Dings fast zusammengebrochen, doch es gelang mir, mein Gleichgewicht wiederzufinden. Ich sah zu Talbot rüber. Er hatte drei dieser Kisten auf dem Arm.
    »Na komm schon, das kannst du doch besser, Kiddo«, sagte er mit leichter Betonung des letzten Wortes, die mich anscheinend antreiben sollte.
    »Klar, sicher.«
    Ich dachte, es würde ungefähr eine Million Jahre dauern, bis wir diese ganzen Kisten in die Bücherei geschleppt hätten. Aber während ich eine Kiste pro Tour hineintrug, hatte Talbot jedes Mal sechs Kisten auf dem Arm. Es gefiel mir nicht, in seinem Beisein schwächlich zu wirken; und schließlich war ich so angewidert von mir selbst, dass ich einen Kraftschub mobilisierte, der mir half, bei der letzten Tour zwei Kisten hineinzutragen. Als mir klar wurde, wie viel einfacher das war, wünschte ich mir, es gleich von Beginn an so gemacht zu haben. Doch vermutlich wollte ich wirklich nicht, dass Talbot meine für ein Mädchen überproportional starke Körperkraft bemerkte.
    »So ist’s schon besser«, sagte Talbot, als er mir beimHerauskommen die Tür offen hielt. Ich trug die beiden letzten Kisten zum Informationstresen und überließ sie dem Bibliothekar.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte ich energisch, als ich zum Auto zurückkam.
    »Ich weiß nicht, wozu unsere Zeit noch reichen könnte, Kiddo.« Talbot nahm sein Cap ab. Sein welliges braunes Haar klebte am Kopf und ließ ihn jetzt selbst wie ein Kind wirken. Er hob die Hand, um sich die Haare aufzulockern, ließ jedoch plötzlich seine Mütze fallen und wirbelte herum. »Hast du das gehört?«
    »Was gehört?«
    Ich konzentrierte mich genau und hielt meinen Atem an, bis ich diesen stechenden Schmerz in den Augen spürte. Dann hörte ich es auch: der Schrei einer Frau. Er klang so nah, dass ich vermutete, sie müsse sich nur ein paar Meter von uns entfernt befinden. Doch die Straße war dunkel und abgesehen von Talbot und mir völlig leer. Der Schrei konnte auch von ein paar Blocks weiter entfernt gekommen sein.
    »Los!«, sagte Talbot. »Wir müssen helfen.«
    »Was? Nein. Wir sollten die Polizei rufen!« Ich griff nach dem Handy in meiner Tasche.
    Der Schrei ertönte ein weiteres Mal, wurde aber plötzlich erstickt, so als hätte jemand der Frau den Mund zugehalten. Meine Muskeln loderten.
    »Dazu bleibt keine Zeit.« Talbot packte mein Handgelenk. »Die Polizei kann ihr nicht helfen, aber du kannst es.«
    »Ich?«
    Talbot ließ meinen Arm los. »Ich gehe.« Er warf mir die Autoschlüssel zu. »Schließ dich im Wagen ein, wenn du zu viel Angst hast.« Er lief in Richtung der Schreie davon.
    »Warte!«, rief ich ihm nach. »Du könntest umgebracht werden!«
    »Nicht, wenn du mich deckst!«, brüllte er zurück.
    Was zum Teufel meinte er damit? Ich blickte auf die Schlüssel in meiner Hand. Ich hatte sie mitten in der Luft aufgefangen, ohne mir wirklich darüber bewusst zu sein. Als ich wieder aufsah, war Talbot bereits um die Ecke verschwunden.
    »Mist, er wird bestimmt umgebracht«, sagte ich zu mir selbst. Die Anspannung in meinen Muskeln brannte wie Feuer. Mein Körper wollte irgendetwas tun, wenngleich mir mein Verstand zurief, bloß zu bleiben, wo ich war.
    Dann wurde der Himmel von einer Explosion zerrissen. Ein Schuss!
    Los!
, brüllte mich eine fremde Stimme in meinem Kopf an. Ich lief los. Innerhalb von Sekunden rannte ich um die Ecke, hinter der Talbot verschwunden war. Dort stieß ich frontal mit einer Frau zusammen, die mir entgegenkam. Ihr Gesicht war tränenüberströmt und sie hielt ihr zerrissenes T-Shirt vor der Brust zusammen.
    »Tut mir leid. Sind Sie in Ordnung?« Ich versuchte, nach ihrem Arm zu fassen, doch sie entzog sich meiner Berührung.
    »Hauen Sie ab!«, schrie sie und rannte weiter.
    Doch ich konnte nicht ohne Talbot gehen. Ich lief ein paar Schritte weiter und verharrte plötzlich reglos vor der Szene direkt vor mir.

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