Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
und berührte dabei leicht meinen Arm. »Und überhaupt. Wieso sollten wir hier draußen im Wagen sitzen, wenn es drinnen viel lustiger ist?«
»Lustig? Drinnen?« Ich starrte ihn ungläubig an.
»Lass uns gehen.« Er ließ seine Finger an meinem Arm entlangfahren, nahm meine Hand und zog mich quer über die Straße in die kleine Gasse zwischen ehemaligem Bahnhofsgebäude und altem Lagerhaus. Dann zog er eine Zugangskarte aus der Tasche, öffnete uns damit die Tür und wir stiegen die Stufen hinab in eine Wolke aus Musik und Nebel.
Am Fuß der Treppe zögerte ich. Ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Ort noch mal betreten wollte. Talbot schien meine Zurückhaltung zu spüren. Während er mich durch den Eingang geleitete, nickte er mir aufmunternd zu, ließ meine Hand los und legte mir stattdessen seinen Arm um die Taille.
»Nur für den Fall«, sagte er und berührte mein Ohr mit seinen Lippen. »Niemand wird dich hier bedrängen, wenn sie sehen, dass du zu mir gehörst.« Er drückte mich fester an sich und steuerte weiter in den Club hinein. Genauso wie an dem Abend, als ich mit April hier gewesen war,sprangen auch diesmal die Leute förmlich aus dem Weg, als Talbot auf die Tanzfläche zuging. Ein paar Typen begrüßten ihn mit einem Nicken, ein paar Mädchen warfen mir neidische Blicke zu. Ich weiß nicht, woran es lag – an seinen Wolfspheromonen womöglich –, doch er schien an diesem Ort eine Art Dominanz auszuüben. Sie war so präsent, dass es mir fast den Atem verschlug, als er die Finger über meine Arme streichen ließ und seine Hände mit meinen verschränkte.
Ich blickte in seine smaragdgrünen Augen. »Was machst du da?«, fragte ich.
»Tanz mit mir«, sagte er und zog mich in wogende Menge.
Es war ein schnelles, pulsierendes Stück; die Art von Musik, die einen komplett verschlingt. Ich konnte nicht anders, als mich in die kreisende Bewegung der Tanzenden hineinziehen zu lassen. Talbot tanzte und strahlte selbst dabei diese eigenartige Dominanz aus. Gar nicht wie ein Junge vom Land, sondern so, als wäre er für diese Musik geschaffen, als gehörte die Tanzfläche ihm allein. Sein Körper bewegte sich in dem pulsierenden Rhythmus dicht neben meinem; unsere Hände berührten sich, lösten sich wieder. Mein Herz raste. Ich konnte nicht anders, als seinen durchdringenden Blick zu erwidern. Fast so, als hielte er mich in einer akh-artigen Trance gefangen.
Genauso tanzten wir zu den nächsten zwei Stücken, dann wechselte die Musik zu einem langsameren Stück und wurde sinnlicher. Mit einer weichen, schnellen Bewegung schlang er meine Arme um seinen Hals und legtemir seine um die Taille. Er zog mich an sich, seine Hände pressten sich auf meine Po-Backen. Ich bemerkte den hungrigen Glanz in seinen Augen. Genauso blickte Daniel mich immer an.
Plötzlich spürte ich einen Kloß im Hals. Ich drehte den Kopf zur Seite, ließ den Blick über die Menge schweifen und fragte mich, wen wir hier eigentlich beobachten sollten. Als ich wieder zu Talbot hochsah, starrte er mich mit unveränderter Intensität an.
»Wollten wir nicht nach den Shadow Kings Ausschau halten?«, fragte ich.
»Das machen wir auch. Aber sie werden wohl erst in ein oder zwei Stunden hier auftauchen.« Seine Stimme war von einem sanften Brummen untermalt – fast wie ein zufriedenes Schnurren.
»Ein oder zwei Stunden? Warum sind wir dann so früh hierhergekommen? Und außerdem dachte ich, dass wir nicht auffallen wollten.«
»Ist doch die beste Methode, sich unters Volk zu mischen und so zu tun, als ob man sich bestens amüsiert.« Seine großen Hände rutschten auf meine Hüften. Er hielt mich dicht an sich gedrückt. »Du siehst übrigens toll aus heute Abend. Richtig schickes Spionage-Outfit. Ganz perfekt, um später noch ein paar Dämonen in den Hintern zu treten.« Er seufzte und strich mit der Nase über meinen Haaransatz. »Perfekter Abend, findest du nicht? Vielleicht haben wir sogar noch Zeit, ein Häppchen an der Bar zu essen, bevor die Shadow Kings auftauchen.«
Obwohl es auf der Tanzfläche alles andere als kalt war,fröstelte ich. Für jemanden wie Talbot musste dies wohl tatsächlich der perfekte Abend sein: ein bisschen tanzen, eine Kleinigkeit essen und zum Nachtisch ein paar Dämonen verprügeln. Ich dachte an das gebügelte Hemd, die gestylten Haare und den Hauch des würzigen Parfums, das ich auf seinem Hals riechen konnte. Dann nahm ich meine Arme von seinen Schultern und trat einen Schritt zurück.
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