Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
sprachlos war.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich schließlich.
»Hattest du Angst? Warst du wütend? Was hofftest du zu erreichen?«
Ich fragte mich, ob er jetzt ein Notizbuch herausholte und anfing, meine Antworten zu notieren.
»Warum willst du das wissen?«, fragte ich.
»Mein Rudel ist äußerst fasziniert von dir. Ist dir klar,was du für sie darstellst? Ein junges Mädchen, das die Seele eines Urbats retten kann. Sie wollen gern, dass ich herausfinde, wie du es getan hast. Doch mich interessiert eher das Warum.«
»Weil ich Daniel liebe. Und ihm versprochen habe, ihn zu retten.« Es war das einzige Versprechen, das ich jemals hatte einhalten können.
Gabriel stand da und sah mich an, so als ob er weitere Ausführungen erwartete.
»Ich glaubte, der Wolf würde mich übermannen, wenn ich Daniel tötete. Doch seine Seele zu retten war wichtiger als alles andere. Ich hatte Angst, jedoch nur davor, ihn nicht rechtzeitig retten zu können. Es war mir egal, was mit mir passierte. Die Hauptsache war, seine Seele zu erlösen.«
»Hmm.« Gabriel seufzte und legte die Stirn in Falten. Jede Spur seines weisen Lächelns war verschwunden. Er schien von meiner Antwort enttäuscht. Oder er hatte geahnt, wie ich antworten würde, wusste aber mit der Information nichts anzufangen. »Wahre Liebe. Nur wenige Menschen sind dazu fähig.«
»Das mag sein.« Ich stapfte mit meinem Absatz auf den Holzfußboden. »Ich denke, ich geh jetzt mal.« Ich wollte nicht länger analysiert werden.
Gabriel reckte die Arme wieder zu einer Pose wie vorher. »Du solltest meine Übungen mitmachen. Ich spüre viel Aufregung in dir.«
»Okay, Meister Yoda«, gab ich murmelnd zurück.
Gabriel blickte mich fragend an.
Ich verdrehte die Augen. »Schon gut.« Sah sich eigentlich niemand mehr Filme an?
»Entspannung würde dir gut tun. Meditation. Gebet. Du überlässt dem Wolf zu viel Kontrolle über deine Gefühle. Glaubst du, du könntest in deinem derzeitigen Zustand genauso viel Zurückhaltung und Liebe zeigen wie in der Nacht, als du Daniel gerettet hast?«
»Natürlich.« Jetzt war ich wirklich aufgeregt und wandte meinen Blick von seinem Gesicht ab. Wie kam er dazu, sich derartig in mein Leben – meine Gedanken – einzumischen?
»Ich habe meine Zweifel«, sagte Gabriel.
»Wie auch immer. Du hast dir doch schon bei unserer ersten Begegnung ein Bild von mir gemacht. Ich werde hier nicht den Versuch unternehmen, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Ich bin nicht deine Patientin oder irgendein Objekt, das du analysieren kannst. Wieso fährst du nicht einfach wieder nach Hause?« Ich drehte mich um und wollte gehen.
»Ich bin hier, weil du mir wichtig bist.«
Nein
, sagte die Stimme in meinem Kopf. Sie war mir immer wie etwas Fremdes vorgekommen, nun empfand ich sie als tröstlich.
Gabriel wird niemals glauben, dass du ein wahrer Hund des Himmels werden kannst. Im Gegensatz zu Talbot.
Ich hatte den Saal schon fast verlassen, als Gabriel mir nachrief: »Denk daran, Grace. Wenn du die Wut in dein Herz lässt, wird sie deine Fähigkeit zur Liebe verdrängen.«
KAPITEL 18
Tanz mit den Wölfen
Sonntagabend
Daniel rief nicht zurück, schickte mir jedoch ein paar Stunden später eine SMS:
Tut mir leid. Kann jetzt nicht reden. Rufe dich heute Abend an.
Mir egal , schrieb ich zurück. Je mehr Zeit vergangen war, ohne dass ich etwas von ihm hörte, desto weniger wollte ich mit ihm sprechen. Zumindest redete ich mir das ein.
Es tut mir leid! Okay? Kann das jetzt nicht erklären. Melde mich später.
Ich hielt das Handy in der Hand und überlegte, was ich ihm antworten könnte. Ich versuchte, mich ihm gegenüber normal zu verhalten, und er verbarg noch immer etwas vor mir. Es machte mich wütend – und ich kam mir wie die schlimmste Heuchlerin vor. Doch vor allem fühlte ich mich leer. Ich öffnete meine Schublade und wollte das Handy gerade hineinlegen, als es in meiner Hand zu klingeln anfing. Ohne auf das Display zu sehen, meldete ich mich und ging davon aus, dass Daniel nun doch anrief.
»Hey, Kiddo. Hast du Lust auf ein bisschen richtige Action?«, fragte Talbot.
Ein Anflug von Begeisterung spülte meine innere Leere fort. »Kommt drauf an, worum es geht.«
»Das Depot überwachen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass heute Abend ein paar von den Shadow Kings dortaufkreuzen. Wir sollten sie verfolgen. Vielleicht führen sie uns ja zu einem interessanten Ort.«
Mein Herz flammte begeistert auf, erhielt jedoch
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