Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
Informationen viel zu langsam verarbeitete.
Ich rollte mich auf den Bauch, um wieder normal sehen zu können. Als ich aufblickte, sah ich jemanden auf mich zurennen. In der einen Hand hielt er einen Speer, während er mit der anderen versuchte, mir ein Zeichen zu geben. Es war Jude. Wieso war er in den Ring gekommen?
Er brüllte mir etwas zu, und nach einer Sekunde drangen die Worte schließlich in mein Bewusstsein. »Grace, lauf!«
Ich hievte mich auf die Knie hoch und spürte, wie Judes Speer über meine Schulter hinwegsegelte. Er traf irgendetwas hinter mir, und ich hörte das Knurren eines Wolfs. Ich wandte den Kopf und konnte gerade noch das klaffende Maul sehen, das nach dem weiten Kragen meiner Robe schnappte. Der Wolf riss mich vom Boden hoch und durchquerte mit vier riesigen Sprüngen den kompletten Ring, mit mir als Gefangener zwischen den Zähnen. Nicht einmal der aus seinem Vorderlauf herausragende Speer schien ihn aufhalten zu können.
Nach einem langen gellenden Schrei
Der braune Wolf schleuderte mich zu Boden. Ich knallte mit der Hüfte auf den harten Untergrund. Ich blickte auf und starrte in die gelben, mörderischen Augen von Caleb Kalbi.
Ein boshaftes Grinsen, das an eine Halloween-Kürbisfratze erinnerte, überzog sein Gesicht. Wir befanden uns jetzt am nördlichen Ende des Kampfrings, dicht neben der Linie aus brennenden Fackeln, die die Szene mit ihrem grellen Schein erhellten.
»Ich bin froh, dass du auf meine Nachricht reagiert hast«, sagte er.
Ich sprang auf die Füße und war bereit, Caleb anzugreifen. Aber zwei Gelals packten meinen rechten Arm, und zwei Akhs meinen linken. Sie hielten mich fest.
»Wo ist er?«, zischte ich Caleb an. »Wo ist James? Ich bin gekommen und habe gekämpft. Genau wie du wolltest. Du hast versprochen, ihn herzubringen. Also wo ist er?«
Caleb beugte sich dicht zu mir. »Das wirst du noch früh genug herausfinden.«
Ich schrie und versuchte, meinen Kopf in Calebs Gesicht zu schmettern, aber die Dämonen neben mir rissen mich zurück. So hart, dass es sich anfühlte, als wollten sie versuchen, mich zu zerfetzen.
Caleb schnaubte. »Glaubst du wirklich, du bist stark genug, um es mit mir aufzunehmen?«
Ich stöhnte vor Schmerzen. »Das ist es, was du wolltest, oder? Deshalb wolltest du, dass ich in den Ring trete. Damit du persönlich mit mir kämpfen kannst?«
»Ich wollte, dass du in den Ring trittst, damit ich dich persönlich vernichten kann. Auf welche Art auch immer.« Er leckte sich die Lippen. »Du bist in mein Haus gekommen. Du hast mir meine Jungs gestohlen. Wegen dir musste ich mein Hauptquartier verlassen. Und all das wirst du mir jetzt zurückzahlen. Ich werde dich vor aller Augen töten – und dann Daniel. Und alle werden wissen, dass Caleb Kalbi der mächtigste aller Urbats ist.«
Calebs Worte bestätigten, was ich schon lange vermutet hatte. Wir hatten ihn in seinem Haus und vor den Augen seiner Jungen gedemütigt. Und nun wollte er es uns in aller Öffentlichkeit heimzahlen. Die Wiederherstellung seiner Ehre in der Welt der Urbats.
Deswegen hatte er uns auch nicht getötet, als er uns in der Nacht angriff. In seinen Augen hatte er uns erlaubt , bis zu diesem Augenblick weiterzuleben. Ich war überrascht gewesen, dass er nicht auch Talbots Kampfeintritt verlangt hatte, denn schließlich war sein ehemaliger Beta derjenige, der ihn wie kein anderer verraten hatte. Aber vielleicht hatte Caleb schon vorausgesehen, dass Talbot in den Kampf eintreten würde.
Meine Gedanken wanderten zu meinen Freunden. Ich hatte keine Ahnung, was außerhalb des Rings, den die Dämonen um Caleb und mich gebildet hatten, vor sich ging.
Caleb schnippte mit den Fingern. Die Akhs und Gelals zerrten wieder heftig an meinen Armen. Ich schrie.
Enttäuscht runzelte Caleb die Stirn. »Du bist zu schwach«, sagte er. »Du verdirbst mir den ganzen Spaß. Du bist viel zu menschlich. Nicht genügend Kampfgeist. Nicht genug Kraft. Du solltest den Wolf freilassen.« Er grinste mich böse an. »Dann könnten wir wirklich etwas Spaß haben.«
Bei diesen Worten wurde der Wolf in meinem Kopf plötzlich wach. Er wollte nichts lieber, als sich auf Caleb zu stürzen. Lass mich raus!, schrie er. Erkenne deine wahre Natur.
Mein Körper begann zu zucken. Ich schaute zum Mond hinauf. Die Hälfte seiner Oberfläche war jetzt blutrot, seine Kraft um ein Vielfaches verstärkt. Es fühlte sich an, als wollte der Mond auf mich herunterstürzen. Ich konzentrierte mich auf die
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