Urbi et Orbi
gerade noch einmal von der Schippe gesprungen.«
Seine vorgetäuschte Sorge machte sie wütend. »Ziehen Sie Leine, Ambrosi.« Sie flüsterte nur. »Hier läuft nichts mehr.«
Er schüttelte den Kopf in gespielter Entrüstung. »Die Liebe siegt doch wirklich immer. Na, egal. Wir wollen gar nichts mehr von Ihnen.«
Aber sie wollte etwas von ihm. »Ich möchte nicht, dass Colin irgendetwas von unserer früheren Übereinkunft erfährt.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Ich erzähle es ihm selbst. Haben Sie verstanden?«
Er antwortete nicht.
In ihrer Tasche steckte das zehnte Geheimnis, das Jasna niedergeschrieben hatte. Beinahe hätte sie das Blatt herausgezerrt und es Ambrosi in die Hände gedrückt, um ihn loszuwerden. Doch was man im Himmel wünschte, war diesem arroganten Arschloch mit Sicherheit vollkommen egal. Ob die Botschaft tatsächlich von der Mutter Gottes stammte oder nur das Lamento einer Frau war, die sich für auserwählt hielt, würde man niemals erfahren. Allerdings fragte Katerina sich, wie die Kirche und Alberto Valendrea das zehnte Geheimnis wegerklären könnten, nachdem sie die vorherigen neun Geheimnisse aus Medjugorje akzeptiert hatten.
»Wo ist Michener?«, fragte Ambrosi mit tonloser Stimme.
»Was wollen Sie von ihm?«
»Ich will gar nichts, aber was sein Papst will, ist eine ganz andere Frage.«
»Lassen Sie ihn in Ruhe.«
»Meine Güte. Die Löwin zeigt ihre Krallen.«
»Verschwinden Sie hier, Ambrosi.«
»Tja, leider haben Sie mir nichts zu sagen. Das Wort des Privatsekretärs des Papstes dürfte hier wohl einiges Gewicht haben. Es zählt sicherlich mehr als die Meinung einer arbeitslosen Journalistin.« Er ging an ihr vorbei.
Sie trat ihm rasch in den Weg. »Das meine ich ernst, Ambrosi. Verschwinden Sie. Sagen Sie Valendrea, dass Colin mit Rom fertig ist. «
»Er ist noch immer Priester der Heiligen Katholischen Kirche und der päpstlichen Autorität untergeordnet. Er wird tun, was man ihm aufträgt, oder die Konsequenzen tragen.«
»Was will Valendrea von ihm?«
»Gehen wir doch zu Michener«, antwortete Ambrosi, »dan n e rkläre ich es. Ich kann Ihnen versichern, dass das Zuhören sich lohnt. «
S ie betrat das Zimmer, gefolgt von Ambrosi. Michener saß im Bett, und beim Anblick des Besuchers verfinsterte sich seine Miene.
»Ich bringe Ihnen Grüße von Petrus II.«, sagte Ambrosi . » Wir haben erfahren, was vorgefallen ist …«
»Und da mussten Sie gleich herfliegen, um mir Ihre tiefe Sorge mitzuteilen.«
Ambrosis Miene blieb ausdruckslos. Katerina fragte sich, ob er mit dieser unnatürlichen Beherrschung geboren war oder ob er sie durch die jahrelangen Täuschungsmanöver erlernt und verfeinert hatte.
»Wir wissen, warum Sie sich in Bosnien aufhalten«, sagte Ambrosi. »Ich soll mich bei Ihnen erkundigen, ob Sie etwas von den Sehern erfahren haben.«
»Kein Wort.«
Beeindruckt stellte sie fest, dass auch Michener ausgezeichnet lügen konnte.
»Muss ich mich selbst umhören, ob Sie die Wahrheit sagen? «
»Tun Sie, was Ihnen beliebt.«
»In der Stadt geht das Gerücht um, gestern Nacht sei der Seherin Jasna das zehnte Geheimnis enthüllt worden, und die Visionen seien nun vorbei. Die Priester sind recht verärgert über diese Aussicht.«
»Keine Touristen mehr? Das Geld hört auf zu fließen? « K aterina konnte der Versuchung nicht widerstehen.
Ambrosi fixierte sie. »Vielleicht sollten Sie draußen warten. Das hier sind Kirchenangelegenheiten.«
»Sie bleibt hier«, erklärte Michener fest. »Jetzt sagen Sie mir mal, Sie und Valendrea hatten in den letzten zwei Tage n d och sicherlich alle Hände voll zu tun. Und da machen Sie sich Sorgen, was hier in Bosnien geschieht? Warum?«
Ambrosi verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Hier stelle ich die Fragen.«
»Dann schießen Sie los.«
»Der Heilige Vater beordert Sie zu sich nach Rom.«
»Sie wissen, was Sie dem Heiligen Vater von mir ausrichten können. «
»Welch ein Mangel an Achtung. Wir haben Clemens XV. wenigstens öffentlich Respekt gezeigt.«
Micheners Züge verhärteten sich. »Soll das bei mir Eindruck schinden? Sie haben alles Erdenkliche getan, um seine Pläne zu durchkreuzen.«
»Ich hatte gehofft, dass Sie Schwierigkeiten machen.«
Ambrosis Tonfall beunruhigte Katerina. Er klang ausgesprochen erfreut.
»Ich soll Ihnen ausrichten, dass die italienische Regierung einen Haftbefehl gegen Sie erlassen wird, wenn Sie nicht freiwillig mitkommen. «
»Was schwafeln Sie da
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