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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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ihr folgen zu müssen.«
    Er beschloss, ihr nicht von seiner Halluzination zu erzählen, aber seine Erinnerung an die Vision war ganz klar, wie bei einem Traum, der einen nicht mehr loslässt. Der Arzt hatte gesagt, er habe mehrere Stunden bewusstlos in der Nähe des zerschmetterten Kreuzes gelegen. Was immer er gesehen oder gehört hatte, war einfach nur Ausdruck all dessen, was er in den letzten Monaten erfahren hatte. Und die Boten waren zwei Männer, mit denen er sich seelisch intensiv beschäftigte. Was aber war mit der Jungfrau? Nun, vermutlich war sie nur die Erinnerung an die Statue, die er am Vortag bei Jasna zu Hause gesehen hatte.
    Oder doch nicht?
    »Schau, ich weiß auch nicht, was Jasna im Sinn hatte. Sie sagte, ich müsse mitkommen, wenn ich das Geheimnis erfahren wolle. Also kam ich mit.«
    »Und du fandest die Situation nicht ein bisschen eigenartig?«
    »Diese ganze Geschichte ist eigenartig.«
    »Sie kommt hierher.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Jasna sagte, sie käme hierher, um dich zu sehen. Als ich ging, ließ sie sich gerade fertig machen.«
    Die Tür ging auf, und eine ältere Frau schob einen Rollstuhl in das enge Zimmer. Jasna sah müde aus. Ihre Stirn und ihr rechter Arm waren verbunden.
    »Ich wollte mich überzeugen, dass Sie gesund sind«, erklärte sie mit schwacher Stimme.
    »Ich hatte mich auch gefragt, wie es Ihnen geht.«
    »Ich habe Sie nur dorthin geführt, weil die Jungfrau es mir aufgetragen hatte. Ich wollte nicht, dass Ihnen etwas zustößt.«
    Zum ersten Mal klang sie menschlich. »Ich gebe Ihnen keine Schuld. Ich habe Sie aus freien Stücken begleitet.«
    »Ich habe gehört, dass auch das Kreuz etwas abbekommen hat. Eine schwarze Kerbe durchzieht das weiße Holz jetzt von oben bis unten.«
    »Ist das euer Zeichen für die Atheisten?«, fragte Katerina mit leichter Verachtung in der Stimme.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete Jasna.
    »Vielleicht wird die heutige Botschaft an die Gläubigen ja alles aufklären.« Katerina ließ offensichtlich keinen Seitenhieb aus.
    Er wollte ihr sagen, dass sie Jasna in Ruhe lassen sollte, wusste aber, dass seine Freundin aufgebracht war und einen Blitzableiter suchte.
    »Die Jungfrau war zum letzten Mal da.«
    Er betrachtete Jasnas Gesicht. Es war traurig, die Augen zusammengezogen, ihr Ausdruck ganz anders als am Vortag. Mehr als zwanzig Jahre lang war sie mit der Muttergottes im Gespräch gewesen. Diese Erfahrung, ob nun real oder eingebildet, hatte ihr viel bedeutet. Jetzt war es vorüber, und das war unübersehbar ein sehr schmerzlicher Verlust. Er stellte sich diesen Schmerz ganz ähnlich vor, wie wenn ein geliebter Mensch stirbt – eine Stimme, die man nie wieder hören wird, von der man niemals mehr Rat und niemals mehr Trost bekommt. So wie der Verlust seiner Eltern und Jakob Volkners.
    Plötzlich spürte er ihre Trauer wie seine eigene.
    »Die Jungfrau hat mir gestern Nacht auf dem Berggipfel das zehnte Geheimnis enthüllt. «
    Er rief sich das wenige in Erinnerung, was er bei dem Unwetter von ihr gehört hatte: Ich kann mich erinnern, das weiß ich genau. Heilige Jungfrau, das wusste ich nicht.
    »Ich habe die Worte notiert.« Sie reichte ihm ein gefaltetes Blatt. »Die Heilige Jungfrau hat mich aufgefordert, Ihnen das hier zu geben.«
    »Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
    »Danach ist sie verschwunden.« Jasna machte der älteren Frau, die ihren Rollstuhl schob, ein Zeichen. »Ich kehre in mein Zimmer zurück. Werden Sie gesund, Hochwürden. Ich bete für Sie.«
    »Und ich für Sie, Jasna.« Es war ihm ernst damit.
    Sie verließ den Raum.
    »Colin, diese Frau ist eine Betrügerin. Siehst du das denn nicht?« Katerinas Stimme wurde schrill.
    »Ich weiß es nicht, Kate. Falls sie eine Betrügerin ist, dann eine sehr gute. Sie glaubt, was sie sagt. Aber selbst falls alles Täuschung war, ist es damit nun vorbei. Die Visionen haben geendet. «
    Katerina zeigte auf das Blatt. »Liest du die Notiz? Diesmal gibt es schließlich kein päpstliches Verbot.«
    Sie hatte Recht. Er entfaltete die Seite, doch vom Lesen bekam er Kopfschmerzen. Daher reichte er das Blatt an Katerina weiter.
    »Ich kann nicht lesen. Lies es mir vor.«
    53
    Vatikanstadt, 13.00 Uhr
     
    V alendrea stand im Audienzsaal und nahm die Glückwünsche des Personals des Staatssekretariats entgegen. Ambrosi hatte bereits seinen Wunsch geäußert, viele der Priester und der anderen Mitarbeiter ins päpstliche Büro zu übernehmen. Valendrea hatte nicht

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