Urbi et Orbi
uralte Pergament knisterte leise. »Lesen Sie einmal.«
Michener betrachtete die lateinische Schrift:
B ei ihrer letzten Heimsuchung wird die Heilige Katholische Kirche von Petrus Romanus regiert werden, der seine Herde in großer Drangsal weiden wird, und danach wird in der Stadt der Sieben Hügel der schreckliche Richter alle Menschen richten.
» Valendrea«, sagte Ngovi, »hat sich von sich aus für den Namen Petrus entschieden. Verstehen Sie jetzt, warum ich so besorgt bin? Dies hier sind Wions Worte, wenn nicht sogar die Worte Malachius ’ , und so oder so wurden sie vor Jahrhunderten aufgeschrieben. Wer sind wir, so etwas in Frage zu stellen? Vielleicht hatte Clemens ja Recht. Wir stellen viel zu viele Fragen und handeln nach unserem eigenen Gutdünken, statt zu tun, was uns aufgetragen wurde.«
»Wie wollen Sie es erklären?«, fragte der Kardinalarchivar . » Dieses Buch hier ist beinahe fünfhundert Jahre alt, und diese Mottos wurden den Päpsten vor langer Zeit zugeordnet. Wenn nur zehn oder zwanzig zutreffend wären, müsste man es Zufall nennen. Aber neunzig Prozent ist etwas anderes, und in dieser Größenordnung bewegen wir uns hier. Nur für etwa zehn Prozent der Bezeichnungen scheint überhaupt kein Bezug auffindbar, doch die anderen sind äußerst passend. Der letzte Name aber, Petrus, findet sich genau an hundertzwölfter Stelle. Als Valendrea diesen Namen annahm, überlief mich ein Schauder.«
Die Ereignisse überschlugen sich. Erst die Enthüllung übe r K aterina. Nun die Möglichkeit, dass das Ende der Welt bevorstand. Und danach wird in der Stadt der sieben Hügel der schreckliche Richter alle Menschen richten. Rom wurde schon seit jeher als die Stadt der sieben Hügel bezeichnet. Michener warf einen Blick auf Ngovi. Das Gesicht des Prälaten war von Sorge gezeichnet.
»Colin, Sie müssen Tibors Kopie der Übersetzung finden. Wenn Valendrea dieses Dokument für entscheidend hält, sollten wir das nicht anders sehen. Sie kannten Jakob besser als jeder andere. Finden Sie das Versteck.« Ngovi schloss den Folianten. »Heute ist möglicherweise der letzte Tag, an dem wir das Archiv betreten können. Uns dürfte eine zermürbende Zeit bevorstehen. Valendrea schiebt alle Gegner aus Rom ab. Ich wollte, dass Sie dies hier mit eigenen Augen sehen – damit Ihnen der Ernst der Lage klar wird. Was die Seherin von Medjugorje festgehalten hat, darüber lässt sich diskutieren. Mit Schwester Lucias Niederschrift und Hochwürden Tibors Übersetzung ist es jedoch etwas ganz anderes.«
»Ich habe keine Ahnung, wo das Dokument sein könnte. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie Jakob es aus dem Vatikan entfernt haben könnte.«
»Außer mir kannte keiner die Zahlenkombination des Schließfachs«, erklärte der Archivar. »Und ich habe es nur für Clemens geöffnet. «
Michener überkam ein Gefühl der Leere, als er wieder an Katerinas Verrat dachte. Vielleicht würde es ihm gut tun, sich eine Zeit lang auf etwas anderes zu konzentrieren. »Ich will sehen, was ich tun kann, Maurice. Aber ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll.«
Ngovis Miene blieb ernst. »Colin, ich will die Lage nicht unnötig dramatisieren. Aber es ist sehr gut möglich, dass das Schicksal der Kirche in Ihren Händen liegt. «
57
15.30 Uhr
V alendrea entschuldigte sich und ließ die Menschenmenge, die gekommen war, um ihm Glück zu wünschen, im Audienzsaal zurück. Die Gruppe war aus Florenz angereist, und vor seinem Aufbruch versicherte Valendrea den Versammelten, dass seine erste Reise ihn in die Toskana führen würde.
Ambrosi erwartete ihn im dritten Stock. Sein Sekretär hatte den Audienzsaal vor einer halben Stunde verlassen, und Valendrea wollte wissen warum.
»Heiliger Vater«, sagte Ambrosi. »Nach Ihrem Gespräch mit Michener hat dieser sich mit Ngovi und dem Kardinalarchivar getroffen. «
Jetzt verstand Valendrea, warum die Angelegenheit dringlich war. »Worüber haben sie gesprochen?«
»Das Gespräch fand in einem der Lesesäle hinter verschlossenen Türen statt. Der Priester, der sich im Archiv für mich umhört, konnte nur in Erfahrung bringen, dass sie einen alten Folianten bei sich hatten, eines jener Bücher, die normalerweise nur der Archivar persönlich in die Hand nehmen darf. «
»Welches?«
» Lignum Vitae. «
»Die Prophezeiungen des Malachius ’ ? Das soll wohl ein Scherz sein. Völliger Unsinn. Aber trotzdem ist es schade, dass wir nicht wissen, was geredet wurde.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher