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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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konnte?«
    Heute waren sie ziemlich schnell aneinander geraten.
    »Der Ehrgeiz treibt Sie um, Alberto. Sie glauben, diese weiße Soutane hier würde Sie glücklich machen. Ich kann Ihnen versichern, dass dem nicht so ist.«
    Ähnliche Unterredungen hatten sie auch schon vorher gehabt, doch in letzter Zeit waren sie hitziger geworden. Beide wussten, wie der andere fühlte. Sie waren keine Freunde und würden es auch nie werden. Valendrea amüsierte sich über die allgemein verbreitete Vorstellung, nur weil er Kardinal und Clemens Papst sei, müsse zwischen Ihnen eine heilige Beziehung zweier frommer Seelen herrschen, die das Wohl der Kirche an erste Stelle setzten. Im Gegenteil, sie waren zwei sehr unterschiedliche Menschen, die von widersprüchlichen politischen Strömungen zusammengezwungen worden waren. Man musste ihnen jedoch zugute halten, dass sie ihren Streit nicht öffentlich austrugen. Dafür war Valendrea zu klug – ein Papst durfte sich nicht streiten –, und Clemens war offensichtlich klar, dass sehr viele Kardinäle seinen Staatssekretär unterstützten. »Ich bin frei von Wünschen , Heiliger Vater. Nur Ihnen wünsche ich ein langes und gesegnetes Leben.«
    »Sie sind ein schlechter Lügner.«
    Er hatte das Gestichel des alten Mannes allmählich satt . » Warum spielt das eine Rolle? Sie werden nicht mehr dabei sein, wenn das Konklave zusammentritt. Das alles braucht Ihnen keine Sorgen mehr zu machen.«
    Clemens zuckte mit den Schultern. »Es spielt tatsächlich keine Rolle mehr für mich. Ich liege dann in meiner Grabstätte unter dem Petersdom bei den anderen Männern, die auf dem Heiligen Stuhl saßen. Mir kann mein Nachfolger vollkommen gleichgültig sein. Aber der Betreffende, ja, der Betreffende sollte sich große Sorgen machen.«
    Der alte Prälat wusste irgendetwas, aber was? In letzter Zeit hatte er die Gewohnheit angenommen, merkwürdige Andeutungen fallen zu lassen. »Gibt es etwas, was das Missfallen des Heiligen Vaters erregt?«
    Clemens ’ Augen blitzten wütend auf. »Sie sind ein Opportunist, Alberto. Ein Ränke schmiedender Politikertyp. Vielleicht enttäusche ich Sie ja und werde noch zehn Jahre älter.«
    Valendrea beschloss, die Maske fallen zu lassen. »Das bezweifle ich.«
    »Ich hoffe wirklich, dass Sie mein Nachfolger werden. Sie werden feststellen, dass die Realität durchaus nicht Ihren Erwartungen entspricht. Vielleicht sollte es wirklich Sie treffen.«
    Das machte ihn neugierig. »Was sollte mich treffen?«
    Der Papst schwieg einen Moment lang. Dann sagte er: »Die Papstwahl natürlich. Was denn sonst?«
    »Was bedrückt Sie eigentlich so?«
    »Wir sind Narren, Alberto. Wir alle sind in unserer ganzen Großartigkeit nichts als Narren. Gott ist viel weiser, als irgendeiner von uns es sich auch nur vorzustellen vermag.«
    »Das dürfte wohl kein gläubiger Christ in Frage stellen.«
    »Wir entwickeln unsere Dogmen und machen dabei das Leben von Menschen wie Father Kealy kaputt. Er ist einfach nur ein Priester, der sich bemüht, seinem Gewissen zu gehorchen.«
    »Er kam mir eher wie ein Opportunist vor – um einmal mit Ihren Worten zu sprechen. Ein Mann, der gern im Rampenlicht steht. Und zweifellos kannte er die Haltung der Kirche, als er gelobte, unseren Lehren treu zu sein.«
    »Aber wessen Lehren sind das denn? Das Wort Gottes wird von Menschen ausgelegt, von Menschen wie Ihnen und mir. Menschen wie Sie und ich bestrafen andere Menschen für Verstöße gegen diese Lehren. Ich frage mich oft, ob unsere großartigen Dogmen dem Willen des Allmächtigen entspringen oder einfach nur den Köpfen ganz normaler, sterblicher Kleriker. «
    Valendrea kam diese Frage nicht merkwürdiger vor als vieles an dem Verhalten, das der Papst in letzter Zeit zeigte. Er überlegte, ob er nicht weiter nachhaken sollte, kam aber zu dem Schluss, dass er auf die Probe gestellt wurde, und gab deshalb die einzige Antwort, die ihm möglich war: »Ich halte die Lehren unserer Kirche für eins mit dem Wort Gottes.«
    »Gute Antwort. Geradezu lehrbuchfähig. Unglückseligerweise, Alberto, wird diese Überzeugung Sie irgendwann ins Verderben stürzen.«
    Mit diesen Worten wandte sich der Papst von ihm ab und trat ans Fenster.
    5
    M ichener schlenderte im Licht der Mittagssonne dahin. Nach dem regnerischen Vormittag hatte es aufgeklart, und die Wolkendecke war überall aufgerissen. Durch die blauen Himmelsflecken zog sich die weiße Spur eines Flugzeugs, das Richtung Osten flog. Das Pflaster des

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