Urbi et Orbi
dem Pontifikat von Papst Pius X I. ein anderer, schlimmerer beginnen. Ich werde kommen, um die Weihe Russlands an mein unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen des Monats zu verlangen. Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren und es wird Friede sein. Wenn nicht, wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Kirchenverfolgungen heraufbeschwören. Die Guten werden gemartert werden, der Heilige Vater wird viel zu leiden haben, verschiedene Nationen werden vernichtet werden, am End e a ber wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und der Welt wird eine Zeit des Friedens geschenkt werden.
D ie dritte Botschaft war die dunkelste von allen:
N ach den zwei Teilen, die ich schon dargestellt habe, haben wir links von Unserer Lieben Frau etwas oberhalb einen Engel gesehen, der ein Feuerschwert in der linken Hand hielt; es sprühte Funken, und Flammen gingen von ihm aus, als sollten sie die Welt anzünden; doch die Flammen verlöschten, als sie mit dem Glanz in Berührung kamen, den Unsere Liebe Frau von ihrer rechten Hand auf ihn ausströmte: den Engel, der mit der rechten Hand auf die Erde zeigte und mit lauter Stimme rief: Buße, Buße, Buße! Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist, » etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen « , einen in Weiß gekleideten Bischof; » wir hatten Ahnung, dass es der Heilige Vater war « . Verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die einen steilen Berg hinaufstiegen, auf dessen Gipfel sich ein großes Kreuz befand aus rohen Stämmen wie aus Korkeiche mit Rinde. Bevor er dort ankam, ging der Heilige Vater durch eine große Stadt, die halb zerstört war, und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Weg begegnete. Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene weltliche Personen, Männer und Frauen unterschiedlicher Klassen und Positionen. Unter den beiden Armen de s K reuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte eine Gießkanne aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten.
D ie Sätze waren so dunkel und mysteriös wie ein Gedicht, dessen Geheimnis nach Deutung verlangt. Theologen, Historiker und Menschen, die überall Verschwörungen aufdecken wollten, boten seit Jahrzehnten verschiedenste Interpretationen dieser Botschaft an, doch wer wusste schon, was sie wirklich besagte? Und doch war Clemens XV. durch irgendetwas zutiefst beunruhigt.
»Euer Heiligkeit.«
Er drehte sich um. Eine der Nonnen, die sein Abendessen zubereitet hatten, eilte auf ihn zu. »Verzeihen Sie mir, aber der Heilige Vater möchte Sie gerne sprechen. «
Normalerweise aß Michener mit Clemens zu Abend, aber heute hatte der Papst mit einer Besuchergruppe von mexikanischen Bischöfen im North American College gespeist. Michener warf einen Blick auf seine Uhr. Clemens war früh zurückgekehrt. »Vielen Dank, Schwester. Dann werde ich mich jetzt zu seiner Wohnung begeben.«
»Dort ist er nicht.«
Das war eigenartig.
»Er befindet sich im Archivio Segreto Vaticano. In der Riserva. Er bittet Sie, ihn dort aufzusuchen.«
Michener verbarg seine Überraschung. »Gut. Ich begebe mich direkt dorthin.«
Er eilte durch die leeren Korridore zum Archiv. Dass Clemens schon wieder in der Riserva war, machte ihm Sorge. Michener wusste genau, was der Papst dort tat, verstand aber dessen Beweggründe nicht. Deshalb ging er zum x-ten Mal die Ereignisse in Fatima durch.
Im Jahr 1917 war die Jungfrau Maria drei Hirtenkindern in einem Gebirgskessel namens Cova da Iria erschienen, der in der Nähe des portugiesischen Dorfes Fatima liegt. Jacinta und Francisco Marto waren Geschwister. Sie war sieben, er neun. Lucia dos Santos, ihre Cousine, war zehn. Von Mai bis Oktober, jeweils zum Dreizehnten des Monats, erschien die Muttergottes ihnen sechs Mal, immer zur selben Stunde und am selben Ort. Bei der letzten Erscheinung bezeugten Tausende von Anwesenden, wie die Sonne am Himmel tanzte. Man erachtete es als himmlisches Zeichen für die
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