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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Echtheit der Visionen.
    Über ein Jahrzehnt später entschied die Kirche, dass die Erscheinungen als glaubwürdig zu betrachten seien. Doch zwei der drei jungen Seher erlebten diese Anerkennung nicht mehr. Innerhalb von zweieinhalb Jahren nach der letzten Erscheinung der Jungfrau verstarben Jacinta und Francisco an Grippe. Lucia dagegen wurde alt, weihte ihr Leben Gott, trat in ein Kloster ein und starb erst in jüngerer Zeit. Die Jungfrau hatte dies damals mit den Worten vorhergesagt: Ich werde bald kommen und Jacinta und Francisco holen. Du aber, Lucia, sollst noch eine Zeit lang hier bleiben. Jesus lässt dich dabei dienen, mich in der Welt bekannter und beliebter zu machen.
    Die Geheimnisse vertraute die Jungfrau den jungen Sehern bei ihrer Erscheinung im Juli an. Lucia selbst enthüllte die ersten beiden Geheimnisse in den Jahren nach den Erscheinungen, und sie hielt sie auch in ihren Memoiren fest, die sie in den frühen vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts veröffentlichte. Das dritte Geheimnis hörten tatsächlich nur Jacinta und Lucia, nicht aber Francisco, der aus irgendeinem Grund Maria zwar sah, aber nichts vernahm. Lucia erhielt jedoch die Erlaubnis, ihm das Geheimnis weiterzusagen. Trotz des Drucks, den de r B ischof ihres Bistums auf sie ausübte, weigerten sich alle drei Kinder, das dritte Geheimnis zu enthüllen. Jacinta und Francisco nahmen ihr Wissen mit sich ins Grab. Im Oktober 1917 sagte Francisco allerdings einem Interviewer, das dritte Geheimnis handele »vom Seelenheil, und viele wären traurig, wenn sie davon erführen.«
    Lucia war dann schließlich die letzte Bewahrerin des dritten Geheimnisses.
    Zwar war sie von robuster Konstitution, doch 1943 schien während einer rezidivierenden Rippenfellentzündung ihr Ende nahe. Der Bischof ihres Bistums, ein Mann namens da Silva, bat sie, das dritte Geheimnis aufzuschreiben und es in einen versiegelten Umschlag zu stecken. Anfangs weigerte sie sich, doch im Januar 1944 erschien ihr die Jungfrau in ihrem Kloster in Tuy und trug ihr auf, die letzte Botschaft nun gemäß Gottes Willen niederzuschreiben.
    Lucia schrieb die Botschaft auf und versiegelte sie in einem Umschlag. Auf die Frage, wann die Mitteilung veröffentlicht werden solle, sagte sie nur: 1960. Der Umschlag wurde Bischof da Silva ausgehändigt, in einen größeren Umschlag gesteckt, mit Wachs versiegelt und im Schließfach des Bistums deponiert, wo er dreizehn Jahre lang ruhte.
    Im Jahr 1957 verlangte der Vatikan die Übersendung aller Aufzeichnungen Schwester Lucias einschließlich des dritten Geheimnisses. Papst Pius XII. legte den Umschlag mit dem dritten Geheimnis in eine hölzerne Schatulle mit der Aufschrift: SECRETUM SANCTI OFFICII, Geheimnis des H eiligen Offiziums. Zwei Jahre lang stand die Schatulle auf dem Schreibtisch des Papstes, doch Pius XII. las das Geheimnis nicht.
    Im August 1959 wurde die Schatulle schließlich geöffnet und der noch immer mit Wachs versiegelte doppelte Umschlag Papst Johannes XXIII. übergeben. Im Februar 1960 ließ de r V atikan öffentlich bekannt geben, das dritte Geheimnis von Fatima werde weiterhin versiegelt bleiben. Eine Erklärung wurde nicht gegeben. Auf Anordnung des Papstes wurde Schwester Lucias handschriftlicher Text in die Schatulle zurückgelegt und wieder in die Riserva gebracht. Jeder Papst nach Johannes XXIII. hatte sich ins Archiv gewagt und die Schatulle geöffnet, doch kein Pontifex hatte sein Wissen preisgegeben.
    Bis zu Johannes Paul II.
    Als er im Jahr 1981 beinahe der Kugel eines Attentäters erlag, war er überzeugt, dass eine mütterliche Hand ihn vor einem tödlichen Schuss bewahrt hatte. Neunzehn Jahre später befahl er aus Dankbarkeit gegenüber der Jungfrau die Enthüllung des dritten Geheimnisses. Um Debatten zu vermeiden, wurde das Geheimnis zusammen mit einer vierzigseitigen wissenschaftlichen Untersuchung veröffentlicht, die die komplizierte Metaphorik der Jungfrau interpretierte. Außerdem wurden Fotos der Originalhandschrift Schwester Lucias gezeigt. Die Presse war eine Zeit lang fasziniert, doch der Neuigkeitswert war rasch verbraucht.
    Die Spekulationen hörten auf.
    Kaum jemand sprach noch vom dritten Geheimnis.
    Nur Clemens blieb besessen davon.
     
    M ichener betrat das Archiv und ging am Nachtpräfekten vorbei, der ihm nur flüchtig zunickte. Der Lesesaal lag im Dunkeln, doch an der gegenüberliegenden Seite, wo jetzt das Eisengitter der Riserva geöffnet wurde, leuchtete ein gelblicher Schimmer.
    Davor

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