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Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)

Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)

Titel: Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nizon , Wend Kässens
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Länggässliche wiedergefunden. Nun zur Heimkehr: Am bewegendsten war für mich die hohe Verehrung, die mir entgegengebracht wurde, ich war ja überhaupt nicht unbekannt, Irina erzählte, Canto (in ihrer anscheinend genialen Übersetzung) sei im Fernsehen diskutiert worden, wie immer; wurde ich nicht wie ein später Heimkehrer behandelt? Und wie ein anderer Professor in einer Einführung festhielt, die Sprache meines Vaters war das Russische, so ist es. Ich werde von nun an ohne jede Schwierigkeit nach Moskau und St. Petersburg und Riga und warum nicht Witebsk fahren können, die Verbindungen sind geknüpft und dies mit freundschaftlichen Banden – nicht nur ein Heimkehrer, fast ein Verwandter. Insofern war mein russischer Blitzbesuch ein überhaupt noch nicht einschätzbarer Schritt – zurück zu den Wurzeln??
    In Moskau habe ich schon beim Einfahren stadteinwärts vom Flughafen kommend den Puls des riesigen Landes empfunden, der Verkehr hatte das unbekümmerte Ausschwärmen, das nur riesenräumlichen Verhältnissen eigen ist, und verrußt und angeschwärzt waren alle Vehikel, der Puls kräftig, ich liebe die langen Einfahrten durch die namenlosen Vorstadtgebiete oder Einöden und das ganze Aufschieben des Kommenden, Hinausschieben, meine ich. Ich kann jetzt im Falle von Moskau nicht alles Gesehene wiedergeben, wozu auch? Ich fand den Bahnhof zur Abfahrt nach St. Petersburg, einen unter acht Bahnhöfen, wenn ich nicht irre, ganz toll und ganz anders als alles Gewohnte, vielleicht weil gerade da sowohl das Vorrevolutionäre wie das Sowjetische, eben das Russische, war vor allem in den Wartesälen mit all dem Sack und Pack, wie soll ich sagen, man spürt, daß es sich nicht um Reisende wie bei uns, nicht um Vergnügungsreisende, sondern um Nomaden handelt, man spürt die Distanzen und Weiten und das Sich-Einrichten in diesen Riesendimensionen, das andere Unterwegssein, spürt es aus den Ballen des Begleitgepäcks, der Bekleidung, dem Benehmen. Und auch die kleinen Läden und Verköstigungsstände sind anders, der Alltag weitet sich in seiner Gräue gewissermaßen ins Mystische. Und schön war die sechsstündige Eisenbahnfahrt von Moskau nach St. Petersburg, eine Art Reisewohnen oder doch ein Vorgeschmack davon, mit all den Gratisverköstigungen, der überhitzten Temperatur, den russischen Komikerfilmen im Fernsehen. Im übrigen war das Hotel am Ziel der Reise, in St. Petersburg, ein Luxus-Vier-Sterne-Hotel am Newski Prospekt. Corinthia Nevskij.
    Während in Moskau das Rossija-Hotel nahe dem Roten Platz ein sowjetischer Riesenkasten mit mindestens vier Eingängen in den vier Himmelsrichtungen und das Wetter Winter mit Schnee und Eis und zehn Grad unter Null war. Und innerhalb des überheizten Hotels kilometerlange Gänge mit den immergleichen Türen wie in Gefängnissen, Gänge mit Kreuzungen zum Sich-Verlaufen; was ich zu Anfang auch befürchtete, ähnlich wie damals in New York im Hotel für christliche junge Männer, was mir wie ein Deckname für das Schlimmste erschien. Nun, und das sagenhafte Frühstück im 21. Stockwerk mit heißen Speisen und Pulverkaffee zum Selbermachen. In Moskau war man natürlich witterungsbedingt etwas heruntergedämpft, man stapfte mit tauben Füßen durch den Kreml, das ehemalige Zentrum der zaristischen Macht, die dann ja an Lenin und Stalin und schließlich an Putin, gewissermaßen nahtlos und schamlos, überging, das Zentrum der Macht eine Art Insel hinter Mauern, eine Art Machtinsel, nicht unähnlich dem Vatikanstaat inmitten Roms. Die verschiedenen vieltürmigen, vielzwiebligen Zarenkirchen, innen osterbunt, und mitzudenken die vielstimmigen Choräle der Gläubigen. Und natürlich erinnert man sich an die Beschreibungen des Kreml in den russischen Romanen und sucht heraufdämmernde Szenen dem vor Augen stehenden Bild zu implantieren. Im übrigen erschien mir der Rote Platz später viel kleiner als angenommen und als vom Fernsehen kolportiert. Es ist ja dies alles noch überhaupt nicht lange her und scheint dennoch einer weit zurückliegenden Vergangenheit anzugehören.
    Ja, das Tolstoi-Wohnhaus in Chomowniki mitsamt Garten und Nebengebäuden (im Garten eine Art künstlicher Hügel fürs Schlitteln). Sowohl die Dostojewski-Wohnung in Petersburg wie das Tolstoi-Haus sind heute Museen, man muß Plastik-Überschuhe überstreifen und wird von lieben Matronen überwacht, während der Direktor mit dem Dolmetscher an seiner Seite schier stundenlang ausholt, um das Leben des

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