Urlaub mit Papa
reichte meinem Vater huldvoll die Hand. Er bemerkte es aber nicht, weil Marleen in diesem Moment dazu kam.
»Guten Morgen. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen. Ich habe für Sie diesen Tisch hier eingedeckt. Trinken Sie Kaffee oder Tee?«
Frau Klüppersberg zog ihre Hand irritiert zurück. »Ich trinke Tee. Aber hier sind doch noch zwei Plätze frei.«
»Nein.« Meine Stimme klang lauter, als ich wollte. Ich senkte sie wieder. »Meine Freundin Dorothea kommt noch. Tut mir leid, da müssen Sie wohl doch an den Nebentisch.«
Mein Vater nickte ihr entschuldigend zu. »Das stimmt. Aber Sie sitzen ja gleich neben uns.« Er setzte sich wieder. »Marleen, die Dame trinkt Tee.«
»Beide?« Marleen bewies Haltung, ich hatte zwar eine Ahnung, was sie gerade dachte, anmerken konnte man ihr nichts.
»Ja.« Frau Weidemann-Zapek ließ ihre Handtasche neben ihren Stuhl fallen und setzte sich. »Aber bitte Ostfriesentee, nicht länger als vier Minuten und mit richtiger Sahne, keine Kondensmilch.«
»Natürlich. Kommt sofort.«
Marleen sah mich nur kurz an, dann verschwand sie in die Küche. Mein Vater wandte sich ihnen zu.
»Man hat ein sehr gutes Frühstück hier. Sie können sich nehmen, was Sie wollen, das ist ganz prima.«
Beide lächelten meinen Vater verzückt an und standen auf, um sich zu bedienen.
Mein Vater sah ihnen nach. »Die sind nett«, sagte er leise.
Ich schwieg. Er hielt mir seine Tasse hin, ich goss ihm aus der Kanne, die vor ihm stand, ein. Frau Klüppersberg war zuerst zurück. Ich war beeindruckt, in welcher Geschwindigkeit sie es geschafft hatte, ihren Teller so voll zu laden. Sie hatte einen Stapel Brot, Käse und Aufschnitt aufgetürmt, den sie oben mit dem Daumen festhielt. Der Blick meines Vaters fiel auf die oberste Scheibe Wurst, auf der sich der Daumen noch abzeichnete. Er zog die Augenbrauen hoch. Frau Weidemann-Zapek hatte gleich zwei Teller in der Hand. Vier Scheiben Brot, zwei Brötchen, der zweite voll Aufschnitt, Heringssalat und Tomatenscheiben. Mein Vater schluckte. Die Damen stellten die Teller ab und gingen wieder zum Büfett, um sich noch Eier und Saft zu holen. Dabei stieß eine der beiden gegen den Tisch, so dass eine Tomatenscheibe, die auf einem der gehäuften Teller lag, auf die Tischdecke fiel. Es bildete sich ein Fleck, tomatenrot und heringssalatviolett. Wir verfolgten beide seine Entstehung, schließlich fragte mein Vater leise:
»Ob die das alles aufessen?«
In diesem Augenblick kam Marleen mit zwei Teekannen zurück, stellte sie auf den Nachbartisch und setzte sich kurz zu uns.
»Na, Heinz, möchtest du noch etwas?«
»Nein, danke. Ich trinke noch meinen Kaffee aus, dann ist gut.«
»Und du, Christine?«
Ich hätte furchtbar gern geraucht, mein sehnsüchtiger Blick ging in den Garten, wo zwei Strandkörbe um einen kleinen Tisch, auf dem ein Aschenbecher stand, gruppiert waren. Marleen ahnte wohl, was ich dachte.
»In zehn Minuten kommt Gesa, das ist meine Aushilfe. Christine, du könntest ihr vielleicht ein bisschen beim Abräumen helfen, dann kann ich hier weg und gleich mit Heinz in die Kneipe gehen. Ist das in Ordnung?«
Wir nickten und Marleen ging zurück in die Küche. Inzwischen waren fast alle Tische besetzt. Marleens Gäste setzten sich aus fünf Ehepaaren und einer Gruppe von vier älteren Damen zusammen, die alle freundlich gegrüßt hatten, bevor sie sich an ihre Tische setzten.
Unsere Tischnachbarinnen waren wieder da. Frau Weidemann-Zapek warf mit Schwung Kandis in ihre Teetasse, was den nächsten Fleck zur Folge hatte. Mein Vater sah erst den Fleck, dann mich an.
»Ach, Heinz, ich darf doch Heinz zu Ihnen sagen?« Frau Klüppersberg beugte sich zu ihm und lächelte. Zwischen ihren Schneidezähnen waren Mohnkrümel. »Dürfen wir heute Morgen Ihre Fremdenführerbegabung nutzen, um die Insel kennenzulernen?«
Ich fragte mich, was er ihnen gestern während der Fahrt alles erzählt hatte. Es konnte nichts über Norderney gewesen sein, er kannte sich hier nicht aus, entweder hatte er über Sylt berichtet oder sich Geschichten ausgedacht. Wie auch immer, ich war gespannt, wie er aus der Sache rauskommen wollte und ignorierte seinen hilfesuchenden Blick.
»Oh ja, das wäre nett.« Frau Weidemann-Zapek nahm ihr Messer in die Hand und umfasste den Eierbecher. »Wir machen die Insel zu dritt unsicher.«
Sie kicherte, während sie das Messer brutal in die Mitte des Eies stieß. Mein Vater zuckte zusammen. Frau Klüppersberg belegte unterdessen eine
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