Urlaub mit Papa
wir redeten darüber, ob wir auf Norderney, auf Sylt, in Hamburg oder auf den Malediven leben wollten. Johann kniete sich nieder, um eine besonders schöne Herzmuschel aufzuheben, ich ging langsam weiter. Plötzlich hörte ich eine Fahrradklingel. Als ich mich umdrehte, sah ich erschrocken, wie Gisbert von Meyer meinen Liebsten über den Haufen fuhr, ihm die Herzmuschel aus der Hand riss, sie mir entgegenstreckte und mit seiner Fistelstimme rief: »Du hättest fast einen großen Fehler begangen. Aber ich bin gekommen, dich zu retten.«
Schweißgebadet wachte ich auf, in dem Moment, als mein Vater pfeifend die Wohnung betrat. Ich erkannte sogar die Textzeile von Marianne Rosenberg: »Marleen, eine von uns beiden muss jetzt gehen…«
Als ich am nächsten Morgen um sieben vorsichtig die Schlafzimmertür meines Vaters öffnete, lag er auf dem Rücken, das Kissen auf seinem Gesicht und schnarchte leise. Er war in der Nacht noch ins Wohnzimmer gekommen. Ich hatte mich schlafend gestellt und mit schlechtem Gewissen sein Streicheln über meine Wange gefühlt. Ich hatte ihn belogen. Deshalb ließ ich ihn jetzt schlafen, er musste nicht jeden Tag um acht Uhr in der Kneipe auftauchen. Er konnte schließlich auch mal Ferien haben.
Dorotheas Bett war unberührt, entweder hatte sie die Nacht mit Nils am Strand oder in dessen altem Kinderzimmer verbracht, wie auch immer, ihre Nacht war vermutlich aufregender gewesen als meine, und bestimmt ohne GvM-Alpträume.
In der Pension stand Marleen in der Küche und füllte Brötchen in die kleinen Körbe. Sie drehte sich zu mir um.
»Guten Morgen. Du warst ja gestern Abend so schnell weg. Geht es dir besser? Heinz hat so geheimnisvolle Andeutungen gemacht.«
Ich schenkte mir einen Kaffee ein und setzte mich auf einen Hocker. »Dorothea hat ihm erzählt, ich hätte schwere Frauenleiden. Das war erfunden, ich hatte noch eine kleine Verabredung und wollte nicht, dass er das mitkriegt.«
»Mit wem?« Marleen ließ die Brötchentüte sinken und sah mich neugierig an. »Erzähl.«
»Mit deinem Gast. Johann Thiess.«
»Oh… Und?«
Ich streckte meine Beine aus und lehnte mich an die Wand.
»Marleen, ich finde ihn Weltklasse! Wir haben uns im ›Surfcafé‹ getroffen, es war sehr schön. Und ich glaube, das geht auch irgendwie weiter.«
Ihr skeptischer Blick erinnerte mich an seine Fragen nach Marleen, an den ominösen Anruf von Mausi-oder-wem-auch-immer, an seine geheimnisvollen Andeutungen zum Schluss. Ich versuchte, Marleen und mich selbst zu beruhigen.
»Er hat hier was Berufliches zu regeln, er ist übrigens Banker. Vielleicht ist er einer Korruption auf der Spur, er darf nicht darüber reden, hat er mir erzählt. Und er hat gesagt, dass er ein bisschen in mich verliebt ist. Und gut küssen kann er auch. Jedenfalls war es toll…«
Ich trank meinen Kaffee aus, stellte die Tasse in die Spüle und griff nach einer Platte mit Aufschnitt. »Ich fang mal an, irgendetwas Besonderes?«
Marleen schüttelte den Kopf, ich war erleichtert, dass sie nichts zu meinem Rendezvous sagte. Ich wollte nichts Kritisches hören.
Die Bergs waren die ersten Gäste, die zum Frühstücken kamen. Die Zwillinge setzten sich nebeneinander, Emily zog einen Flunsch, Lena nickte mir fröhlich zu.
»Hallo, Christine, machst du uns wieder einen Kakao?«
»Natürlich. Emily, willst du auch einen?«
»Nein, ich esse und trinke heute nichts.« Ihr Kindergesicht sah unglaublich schlecht gelaunt aus. Lena klärte mich auf:
»Emily hat Streit mit Papa gehabt. Jetzt spricht sie nicht mehr mit ihm.« Sie warf einen Blick auf ihre Eltern, die am Frühstücksbüfett standen. »Papa hat gesagt, Emily ist ein stures Huhn.«
Emily guckte mich anklagend an. »Hühner sind nicht stur. Und Papa hat angefangen.«
Ich konnte sie gut verstehen. »Das kenne ich. Mein Papa fängt auch immer an. Aber weißt du was? Der Klügere gibt nach. Das sagt meine Mutter immer. Ich tue jetzt immer so, als hätte ich keinen Streit mit meinem Vater, ich bin ganz nett zu ihm und dann vergisst er alles. Probier das mal aus.«
Emily überlegte. »Dein Papa hat aber immer lustige Mützen auf. Der ist bestimmt netter als meiner.«
»Das glaube ich nicht, deiner ist doch auch nett.«
Anna und Dirk Berg setzen sich und lächelten mich an. Emily warf mir einen kurzen Blick zu, dann nahm sie ein Brötchen aus dem Korb, legte es auf ihren Teller und sah ihren Vater an.
»Guten Morgen, Papa, hast du gut geschlafen?«
Dirk Berg starrte seine
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