Urlaub mit Papa
Spät?«
Ich hatte keine Lust, ihm das Schauermärchen vom umzingelten Heiratsschwindler zu erzählen, wollte aber auch nicht, dass er meinen Vater für einen Spinner hielt.
»Na gut.« Johann bückte sich und krempelte die Beine seiner Jeans hoch. »Dann frage ich mal nicht weiter, sondern laufe mir meinen Frust am Strand ab. Du kannst dich ja melden, wenn du dich von deinem Clan befreit hast.«
Ich war erleichtert, dass er nicht wissen wollte, in welche Idee sich mein Vater verrannt hatte.
»Ich rufe dich auf jeden Fall an. Bis heute Abend, ja?«
Er lächelte schief und küsste mich kurz.
»Hoffentlich.«
Während ich auf der Promenade dem Ort entgegenfuhr, ließ ich die Freude, dass er wieder da war, zu. Dann dachte ich darüber nach, dass er mir gar nichts weiter erzählt hatte. Auf der anderen Seite hatte ich ihn aber auch nichts gefragt. Ich hielt es für ein gutes Zeichen, er hatte einfach nur Geld und seine Papiere geholt. Mein Vater und Gisbert sollten sich doch einen anderen Heiratsschwindler suchen.
Ich schloss das Fahrrad an den Ständer vor der Post, als ich schon wieder einen Pfiff hörte. Diesmal hob ich gleich den Kopf. Dorothea und Nils kamen auf mich zu. Dorothea hielt mein Rad fest, damit ich die Tasche leichter vom Gepäckträger bekam.
»Du siehst aus, als wärst du unter die Strandräuber geraten. Was hast du denn mit deinen Haaren gemacht? Außerdem hast du noch Sand am Kinn.«
Ich tastete mit den Fingern über mein Gesicht, tatsächlich, alles sandig. Und trotzdem hatte er mich geküsst.
»Ich war am Strand.« Meine Haare fühlten sich strohig an. »Und ich habe mich nicht gekämmt.«
»Wieso grinst du so blöd?« Dorothea musterte mich neugierig. »Sag bloß, dass Jo…«.
»Pst.« Instinktiv drehte ich mich um und suchte das Gesicht meines Vaters unter den Passanten. Langsam bekam ich Verfolgungswahn. »Ja, er ist zurück, aber das müssen Heinz und GvM ja noch nicht wissen.«
Nils blickte uns abwechselnd an. »Redet ihr von dem Heiratsschwindler? Der Typ aus der Pension, der nicht in Bremen wohnt?«
»Ach, Nils«, Dorothea winkte ab, »Heinz und Gisbert von Meyer machen sich doch nur wichtig. Der Typ heißt Johann Thiess und ist garantiert kein Heiratsschwindler.«
»Ihr kennt ihn näher? Warum habt ihr das dann nicht aufgeklärt?«
»Ja, warum?« Ich überlegte, während ich Nils ansah. »Die beiden waren sich so sicher. Mein Vater und Doktor Watson hätten uns gar nicht zugehört.«
Dorothea stimmte mir zu. »Und außerdem gab es ein paar Unklarheiten. Den Rest erkläre ich dir auf der Fähre.«
»Wieso fahrt ihr mit der Fähre?«
Nils legte Dorothea den Arm um die Schulter. »Wir hauen ab. Nachdem Heinz mich seziert hat und mein Vater Dorothea mit Fragen nach ihrer Kochkunst, möglichen Allergien und nach ihrem Gewicht gelöchert hat, soll jetzt noch meine Mutter ins Rennen geschickt werden. Sie will heute Abend mit uns grillen. Da habe ich beschlossen, es langt, wir fliehen nach Juist und kommen morgen wieder.«
»Und die Kneipe?«
Dorothea erwiderte: »Ich bin mit dem Malen so gut wie fertig, das ist nicht mehr viel.« Nils nickte. »Wir haben ja ganz schön was geschafft. So, jetzt müssen wir los, die Fähre geht in zwanzig Minuten.«
Ich schaute den beiden sehnsüchtig hinterher und hätte alles Mögliche dafür gegeben, mit Johann an ihrer Stelle zu sein. Zwei Tage einsame Insel mit dem Mann meiner Träume.
»Christine! Hallo, Christiieene.«
Die Betonung lag auf »einsame Insel«. Ich drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme meines Vaters kam. Mir stockte der Atem.
»Und? Wie findest du das?«
»Das« war eine kurze Hose aus einem Stoff, der aussah wie ein Tarnzelt. Dazu trug er ein gelbes Hemd, das mit schreiend bunten Bonbons gemustert war. Die neue Schirmmütze war hellblau mit dem Aufdruck »Endlich 18«.
Ich rang nach Luft. »Wo hast du
das
denn gefunden?«
Mein Vater wedelte mit der Hand durch die Luft. »Du, mal hier, mal da. Wir haben sämtliche Geschäfte unsicher gemacht. Kalli und die Kinder sitzen dort drüben in der Eisdiele. Ich habe dich vom Fenster aus gesehen, willst du auch ein Eis?«
Er war schon auf dem Weg zurück, ich ging langsam hinter ihm her. Wenn ich konzentriert auf die Bonbons guckte, wurde mir schwindelig.
Emilys Mütze war gelb mit der Aufschrift »Supermaus«, auf Lenas rosa Mütze stand »Traumfrau«.
»Da habt ihr euch aber schöne Schirmmützen ausgesucht.«
Ich bemühte mich um einen neutralen Ton.
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