Urlaub mit Papa
sah ihn alarmiert an.
»Ist etwas passiert?«
Gisbert von Meyers Atmung rasselte und pfiff, dabei hatte ich ihn noch nie rauchen sehen. Vielleicht war er Allergiker. Oder konditionsschwach. Oder beides. Geheimnisvoll schaute er sich um.
»Und ob. Wir müssen uns sofort zusammensetzen. Parole ›Haifischbar‹, versteht Ihr?«
Hannelore verschluckte sich fast. »Der Heiratsschwindler! Sie haben ihn wieder gesehen?«
Jetzt bekam ich wenig Luft. »Wo denn?«
»Er hat sich vermutlich in der ›Georgshöhe‹ eingemietet. Ich habe ihn an der Rezeption erkannt«, erklärte Gisbert triumphierend. Was hatte ein halbes Hemd wie GvM in so einem Spitzenhotel zu tun? Während ich mir die entsetzten Gesichter der Damen anguckte, lief mein Gehirn auf Hochtouren. Johann war am Strand und nicht in der ›Georgshöhe‹, er wohnte in der Pension und außerdem hatte Gisbert ihn noch nie gesehen. Erleichtert dachte ich an die Beschreibung meines Vaters, der nur von mittelgroß, mittelalt, mittelblond und tückischen Augen geredet hatte, das passte auf jeden dritten. Und deshalb gab es jetzt vermutlich einen neuen Mister X und ich hatte Ruhe. Und Johann Thiess. Gisbert deutete mein Lächeln falsch und warf sich in die Brust.
»Ja, da bist du froh, dass ich nicht so schnell aufgegeben habe, oder? Von wegen abgereist. Den machen wir dingfest, versprochen. Wo ist Heinz denn jetzt? Er weiß noch gar nichts von der neuen Situation.«
Hannelore spielte nervös mit ihrer Glasperlenkette. »Wissen Sie, Gisbert, ich wollte es in der ›Haifischbar‹ nicht vor allen Leuten erzählen, aber jetzt, wo sozusagen Gefahr in Verzug ist, gelten persönliche Gefühle nichts.«
Mechthild warf ihrer Freundin einen Blick zu und zog dabei eine Augenbraue hoch.
»Was kommt denn jetzt?«
Hannelore legte Gisbert die beringte Hand aufs Knie. Drei Augenpaare folgten der Hand, Mechthilds echauffiert, meine milde, Gisberts panisch.
»Also, um es kurz zu machen, Herr Thiess hat mir das eine oder andere Mal, nun, wie soll ich es sagen… begehrliche Blicke zugeworfen.«
Ich hustete, Gisbert schrie fast: »Na bitte«, und Mechthild stand betont langsam auf und schulterte ihre Handtasche.
»Ach, Hannelore, du bist manchmal erfrischend naiv. Er hat dich lediglich gegrüßt. Mich hingegen hat er zum Essen eingeladen, ich habe aber abgelehnt. Schließlich weiß ich, was sich gehört.«
Getroffen! Hannelore Klüppersberg hatte ihre Mimik nicht mehr im Griff. Sie sah aus wie ein rosa Karpfen und nahm die Hand vom Nachbarknie.
»Mechthild, du bist so…«
Ihr fiel kein passender Ausdruck ein. Sie klappte den Mund zu. Gisbert starrte konzentriert in die Luft.
»Wir müssen was unternehmen. Mechthild, Hannelore, Sie sind fast Opfer eines Verbrechers geworden. Ich habe eine Idee. Christine, wo ist denn jetzt dein Vater?«
Ich zeigte vage in Richtung des Kurtheaters. »Das letzte Mal habe ich ihn am ›Haus der Insel‹ gesehen, zusammen mit Kalli und in Begleitung von zwei jungen Damen.«
»Junge Damen?« Mechthild und Hannelore vereinten sich wieder zu einem Chor.
Gisbert wandte sich ihnen zu. »Im Kurtheater ist heute Tanztee. Wollen wir da hingehen? Dann können wir Heinz gleich verständigen.«
»Gisbert…« Ich bemühte meinen gönnerhaftesten Ton. »Ich an deiner Stelle würde mich nicht trauen, dazwischenzufunken. Die beiden Damen waren sehr hübsch und sehr jung und Heinz und Kalli wirkten so, als hätten sie einen Heidenspaß. Mach ihnen nicht den Beutezug zunichte.«
»Christine!«, entrüstete sich das Trio im Chor.
»Ihr müsst es wissen, ich habe nichts gesagt. Viel Erfolg.«
Was ich ihnen auch nicht gesagt hatte, war, dass es im Kurtheater ein Kino gab. Aber wenn Gisbert als Kulturinstanz das nicht wusste, war es wohl nicht so schlimm.
Ich verließ die drei und ging schnell die Straße entlang, in der Hoffnung, sie würden mir weder folgen, noch meinen Vater vor mir finden. Ich hatte noch eine halbe Stunde bis zur Verabredung im Café und 800Euro in der Tasche, das heißt 710Euro und ein Kleid in der Tüte. Vor einer Parfümerie blieb ich stehen. Beim letzten romantischen Treffen mit Johann hatte ich nach Terpentin gerochen, heute Abend oder Nacht sollte es besser sein. Ich betrat den Laden.
Herz aus Glas
– Münchener Freiheit –
Fünf Parfümproben später und um 100Euro ärmer, dafür mit einer gefühlten Ausstrahlung, die einer Hollywood-Diva in nichts nachstand, nahm ich Kurs auf das ›Central Café‹. Ich hatte mich
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