Urmels großer Flug
oder
Goldfischen. Gänse und Enten sind auch keine Seltenheit.
»Nein«,
antwortete dieses Haustier aber. »Mär äst das unheimläch. Weißt du was, du
fährst, und äch fläge ämmer neben dem Zug her. Oder äch setze mäch aufs Dach,
da sätze äch äm Freien. Und wenn du wäder aussteigst, dann bän äch auch schon
da.«
Das
Urmel wäre gerne mit Schusch gereist. Doch konnten sie sich nicht länger
hierüber auseinandersetzen, denn der Bahnhofsvorsteher rief: »Einsteigen und
Türen schließen!« Er kam bedenklich weit nach vorn, zur Lokomotive. Da erklomm
der kurze, etwas dickliche Fahrgast rasch die steile Treppe zum Wagen, und sein
Haustier flatterte auf das leicht gewölbte Dach. Der Bahnhofsvorsteher war ganz
nahe, er sagte zu dem kurzen, dicklichen Fahrgast: »Gnädige Frau, ziehen Sie
bitte Ihren Mantel hoch.« Und das Urmel zog schleunigst seinen langen Schwanz
in den Wagen, gerade noch rechtzeitig, ehe die Tür zuflog. Da pfiff der
Bahnhofsvorsteher und hob die Kelle mit dem grünen Lichtchen. Langsam
schaukelnd setzte sich der Zug in Bewegung.
Schusch
auf dem Wagendach klammerte sich an der Öffnung eines Lüftungskamins fest und
zog vor jedem Signal den Kopf ein. Für das Eisenbahnfahren kann äch mäch kaum
begeistern, dachte er. Nun, er fuhr ja auch ohne Fahrkarte. Ebenfalls ohne
Fahrkarte, schob das Urmel die erste Abteiltür auf. Es war ein leeres Abteil
erster Klasse mit weich gepolsterten Sitzen. Die Vorhänge an den Fenstern
wackelten hin und her, und draußen flitzten die hellen Lichter von
Straßenlampen in der Dunkelheit vorüber, und weiter entfernt bewegten sich die
Lichtschlangen der Häuserzeilen langsam davon.
Das
Urmel nahm in der Ecke Platz und blickte zum Fenster hinaus. Da sah es
eigentlich nicht viel, es sah vor allem seine nilpferdähnliche Schnauze, den
Kopf mit den Fledermausohren im Fensterspiegel, jedoch geisterhaft
durchscheinend. Dahinter sauste alles mögliche vorbei, Gebäude und fahrende
Autos.
Gemütlich,
sehr gemütlich, dachte das Urmel, aber auch ganz hübsch langweilig. Es nahm
sich eine bunte Reise-Illustrierte, die über ihm am Haken an dem Gepäcknetz
schaukelte, klappte sie auf und begann in ihr zu lesen. Dabei verschwand sein
Kopf hinter den Blättern.
Nun
kam aber noch eine Reisende, eine ältere Dame, die weiter hinten keinen
Eckplatz mehr gefunden hatte. Und in diesem Abteil fand sie gleich mehrere, die
frei waren. Sie trug eine sehr starke Brille, mit der sie vortrefflich in der
Nähe, aber weniger gut in die Ferne sehen konnte. Sie lugte durch das
Gangfenster, und der Anblick einer lesenden Dame in einem sehr langen grünen
Kleid, das bis auf den Boden hing, flößte ihr ein gewisses Vertrauen ein. Auf
Reisen war sie immer etwas ängstlich. Sie öffnete daher die Tür und hob ihre
Reisetasche empor, um sie ins Gepäcknetz zu legen, und sagte höflich zu der
lesenden Dame: »Verzeihung, ist hier frei?«
Die
Dame ließ die Zeitung sinken, um ebenso liebenswürdig »Aber gewiß doch!« zu
antworten. Und dann erschrak diese lesende Dame sehr, weil der höflichen
älteren Reisenden an der Tür die Tasche aus der Hand fiel, noch bevor diese im
Gepäcknetz untergebracht war, und weil die Besitzerin der Reisetasche sie
anstarrte, sie durch dicke, etwas unscharf zeichnende Brillengläser anglotzte
und immerhin erkannte, daß dort keinesfalls ein Menschengesicht war. Das
Erschrecken war nun also beiderseitig, die ältere Dame begann zu kreischen,
recht schrill und anhaltend, sie war vollkommen aus der Fassung und geriet noch
mehr außer sich, als die Dame im langen grünen Kleid auf dem Fensterplatz ein
ungeheuer entsetzlich großes Maul aufmachte, um »Nun... nun... nun, aber ich
bitte Sie!« zu rufen.
Ja,
und dann brüllten sie alle beide laut um Hilfe.
Die
ältere Reisende mit der Brille hatte die Geistesgegenwart, aus dem Abteil zu
fliehen und kreischend durch den Gang zu sausen. Und die andere Dame im grünen
Kleid kam zur Besinnung und dachte sich, daß dieses Abteil von nun an kein sehr
ruhiger Aufenthaltsort für sie mehr sein würde. Sie floh daher ebenfalls aus
dem Abteil, aber nach der anderen Seite. Da kam sie gleich um eine Ecke und
stand an der Tür, an der ein Schild angebracht war, daß man sie nicht während
der Fahrt öffnen dürfe und sich nicht hinauslehnen und so weiter. Draußen
rasten ja auch wirklich allerlei schlecht zu erkennende Gegenstände in der
Nacht vorbei.
Aber
gleich links war noch eine kleine Tür, die ging ganz leicht auf,
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