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Uschi Zietsch

Uschi Zietsch

Titel: Uschi Zietsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sternwolke und Eiszauber
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lächelte.
    »Er ist zum Lordmeister gegangen, Herr«, antwortete er. »Er wird Lord.«

    Wenige Tage später stand Kelric vor einem mannshohen Spiegel und betrachtete sich neugierig, zum ersten Mal seit seinem Gang hier herunter, von oben bis unten. Ohne Selbstüberschätzung konnte er von sich behaupten, gutaussehend zu sein – er besaß zwar nicht Melwins aristokratische Schönheit, denn dazu waren seine Züge zu bäuerlich, von den Bergen geprägt; aber sein Antlitz war ebenmäßig, wie aus Marmor gemeißelt, und weder zu grob noch zu fein; sein Körper war hochgewachsen, schlank und muskulös, die Haut bronzefarben wie bei jedem Zauberer, die langen Haare nunmehr schneeweiß, die einst so dunklen Augen strahlten in einem tiefblauen mystischen Feuer. Er entdeckte Lebensfreude in seinem Blick, aber auch jene verhüllte Trauer, die sein Wissen zeigte.
    Tief in Grübeleien versunken, über sein neues Leben nachdenkend, kehrte er an die Oberfläche von Laïre zurück und umarmte Fandor, der ihn schon erwartete und vor Freude Tränen in den Augen hatte. Sie wussten alle, wie einsam sie nun waren, und das verband sie so stark miteinander, dass sie keine Augen mehr für das kindliche weltliche Leben hatten, denn sie teilten dasselbe Leid, und sie fanden Trost in der Zuneigung zueinander. Es war nicht nur ihr Aussehen, das sie von den kaum Jüngeren unterschied; ihr ganzes Denken, die Einstellung, vor allem aber das Wissen trennten sie von den noch unschuldigen Kindern.
    Kelric verspürte kein Bedürfnis, mit den anderen Schülern zu sprechen. Er wollte zuerst sich selbst kennen lernen und mit den Freunden zusammen nacheinander die Vier Türme besteigen, um dort die Hohe Kunst der Magie zu erlernen.

    Lordmeister Marbon und Lord Melwin beobachteten Kelric, als er mit stillem Ernst, aber mit demselben Eifer wie als Junge wieder ans Lernen ging.
    »Er ist erwachsen geworden«, sagte Marbon.
    Melwin sprach: »Er hat geschworen, den Zustand zu ändern. Sein Hass auf Oloïn ist so stark, dass er alles überdauern wird. Er schwor, lieber bis an sein Lebensende lernen zu müssen, als den Versuch der Abschaffung unseres Zölibats nicht unternommen zu haben.«
    Marbon betrachtete den neuen Lord. »Er gehört zu Eurer Aufgabe, nicht wahr? Ihr wart es doch, der Kelric den Sehenden zu uns brachte.«
    Melwin lächelte leise. »Eigentlich war es eher Fergon der Stille. Ich beschimpfte ihn als Ziegenhirten, er aber liebte mich vom ersten Augenblick an, und ich empfand bald wie er. Er ist mir verwandter, als es mein Bruder je war.«
    »Er ist uns allen nahe«, erwiderte Marbon. »Um ihn, da gibt es für uns kein Geheimnis. Aber er fühlt, denkt und lebt intensiver, als wir es je könnten. Ich sehe immer noch große Leidenschaft in ihm. Seine Macht ist vielleicht nicht größer als die Eure, Lord Melwin, aber er kann Gedanken lesen, was keiner zuvor jemals konnte. Und ich glaube, er wird uns noch eine Menge Überraschungen bereiten, denn er ist anders als wir alle, selbst Ihr.«
    Melwin nickte.
    » Und siehe, wenn dieser Sehende gekommen ist, dann wird die göttliche Auseinandersetzung sich zuspitzen, und die Entscheidung wird fallen, und es wird ein neues Zeitalter anbrechen, aber keiner wird wissen, was dann geschieht, denn die Prophezeiung wird sich erfüllen, aber das Ende ist offen «, zitierte er langsam und bedächtig, und ein stilles, seltsames Schmunzeln schlich sich in seine wissenden Augen.

ZWEITER TEIL

GORWYNA

11.

Heimkehr nach Loïree

    Trotz des eisigen Vorfrühlingswindes blühten in den Felsvorsprüngen weiße und rote Wanderblumen; geschickt in geschützten Nischen versteckt, vorwitzig unter Überhängen und um Ecken lugend.
    Kelric blieb stehen, auf seinen langen Wanderstab gestützt, und betrachtete den schmalen, sich wurmartig schlängelnden Höhenweg vor sich, von dem ihm jede Biegung bekannt und vertraut vorkam. Viele Augenblicke verweilte er bei den leuchtenden Blumen, deren Blätter ihm zur Begrüßung zuwinkten; er konnte der Aufforderung nicht widerstehen und begann sein altes geliebtes Spiel, mit dem er vor mehr als neununddreißig Jahren jeden Morgen begrüßt hatte. Er hob den Kopf, als ein Stein dicht über ihm herabpolterte; auf einem schmalen Grat erhob sich die mächtige hohe Silhouette eines uralten Weißthars mit bis zur Erde reichendem Bart und spiralförmig gedrehten Hörnern. Kelric streckte ihm vorsichtig die Hand entgegen.
    »Komm her«, flüsterte er. »Komm her, Thar, und erzähl mir von

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