Uschi Zietsch
ihm über die Augen legte.
Kelric verzog missmutig das Gesicht. »Muss das sein?«, fragte er ungehalten.
»Ja, es ist meine Pflicht«, erwiderte der Mann, nahm ihn sanft am Arm und führte ihn durch viele verborgene Gänge, Stufen hinab und hinauf und wieder hinab, immer tiefer, bis Kelric in der Kühle zu frösteln begann. Schließlich hörte er, wie der Mann eine Tür öffnete und ihn in einen überraschend warmen Raum brachte, in dem der Rauchgeruch vieler Fackeln die Luft schwängerte.
»Wo bin ich?«, fragte Kelric laut und tastete nach der Augenbinde. Der Mann hinderte ihn behutsam daran und antwortete feierlich und nunmehr förmlich: »In Eurem Ruheraum für die nächste Zeit. Ihr werdet kurz schlafen. Wenn Ihr erwacht, ist alles geschehen.«
Kelric öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als er einen Schwamm zwischen den Zähnen fühlte, den der Mann ausdrückte. Eine scharfe, bittere Flüssigkeit rann ihm die Kehle hinunter, er verschluckte sich und hustete.
»Was soll das?«, rief er wütend. Sein Führer zog ihn schweigend zu einem Bett und drückte ihn darauf nieder. Im Niedersinken merkte Kelric, wie ihm schwindlig wurde, und er lallte verblüfft: »Ssie hhaben mir ein Bberuhigungsmittel gegeben ... wwas ...«
»Still!«, flüsterte der Mann, während er Kelric, der sich mit fahrigen Bewegungen wehren wollte, rasch und geschickt vollständig entkleidete und ihn sanft, aber nachdrücklich zwang, ruhig zu liegen. Kelrics Kopf wurde immer schwerer, die Zunge erschien ihm dick und angeschwollen und erschwerte die Atmung; die Glieder waren wie Blei, und er fühlte kaum noch das Bett unter sich. »Seltsam ... «, murmelte er; eine furchtbare Ahnung schoss ihm schnell wie ein Blitz durch den vernebelten Verstand und erhellte ihn kurz, aber dann schob sich matte Schläfrigkeit über das Denken, und Dunkelheit legte sich über die Augen, und er konnte nichts erkennen, obwohl ihm die Binde abgenommen wurde. Er versuchte zu sprechen, aber weder Mund noch Stimmbänder gehorchten ihm, und er fühlte lähmende Zufriedenheit. Von weiter, wattiger Ferne vernahm er undeutlich Geräusche und Stimmen, da waren auf einmal noch andere hinzugekommen, die etwas mit ihm taten.
Und dann erhellte plötzlich eine grelle Explosion in seinem Kopf die betäubten Gedanken, und in einer übermenschlichen Anstrengung bäumte er sich auf und stemmte sich gegen die Hände, die ihn festhielten; wie ein Rasender wand und drehte er sich, während ihm der fürchterliche Schmerz glühende Speere durch den Körper jagte, sich in seinen Lenden konzentrierte, indes heißes Blut seine Beine überströmte, und mit schriller, schmerzgepeinigter, überschnappender Stimme schrie er seine Not hinaus, als er begriff, was beinahe noch schlimmer als die Qual war, dass es seine Männlichkeit war, die sie ihm nahmen, damit er niemals Samen haben sollte, um neues Leben zu zeugen.
Stunden, vielleicht Tage wand Kelric sich in seinem Bett in Schmerzen und Fieber, in Wahn und Phantasien; nur ein einziger Gedanke hämmerte pausenlos in grausamer, leuchtender Schärfe in ihm: Ich bin kein Mann mehr, nie wieder ...
Er wütete wie ein Besessener, so dass sie ihn im Bett festschnallen mussten; er hörte weder ihre beruhigenden Worte noch sah er die besorgten Gesichter; sie mussten ihn zwingen, breiige Nahrung zu sich zu nehmen und viermal am Tag ein höllisches Getränk zu schlucken, das ihm die Eingeweide ausbrannte. Zweimal am Tag wechselten sie die Bettwäsche und wuschen seinen schweißüberströmten fiebrigen Körper und hielten ihn fest, wenn er sich unter entsetzlichen Schmerzen entleeren musste. Er schrie eine ganze Woche, bis das Fieber endlich sank und die Wahnvorstellungen schwanden, die Wunde schloss sich, und er kam wieder zu sich.
Sie hatten ihn losgeschnallt, und er fand sich allein in dem warmen, mit vielen Fellen und Teppichen ausgelegten kleinen Felsengewölbe tief unter der Erde. Mit zitternder Hand streifte er die Decke zurück, schob die Verbände beiseite und sah an sich hinab, betrachtete das, was von seiner Männlichkeit noch übrig war. Wie alle gesunden jungen Männer war er sehr stolz darauf gewesen, auf jede Regung, die zeigte, dass er erwachsen war, ein vollwertiger Mann, der eine Familie gründen und einer Frau Lust bereiten konnte.
Er bedeckte sich wieder und sank ins Kissen zurück; zitternd und wimmernd lag er wie ein erbärmliches Häuflein Elend in dem weichen Bett; nahm kaum die Hände wahr, die ihn sanft aufrichteten
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