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Uschi Zietsch

Uschi Zietsch

Titel: Uschi Zietsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sternwolke und Eiszauber
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hier! Ist die Bergwelt noch so, wie ich sie verließ?«
    Ein Licht leuchtete in den gelben Augen des Tieres auf, als es langsam und vorsichtig herabkam und sich mit vorgerecktem Kopf der offenen Hand näherte, in der Salzkörner wie Edelsteine glitzerten. Zart und behutsam leckte es die Hand des Zauberers, während ganz in der Nähe das keuchende Bellen eines Gebirgsmuntjaks erklang; am Himmel kreiste hoch pfeifend ein Pfeiladler. Der Thar warf dem Menschen noch einen gutmütigen, freundlichen Blick zu, bevor er langsam und majestätisch die Felsen erkletterte und verschwand. In den Augenwinkeln des Mannes erschienen viele Lachfältchen, sein Mund lächelte ebenfalls, und er fühlte plötzlich eine Befreiung in sich, ein Aufatmen, als wäre die Tiefenluft der letzten Jahre schwer und dick gewesen. Hier oben war die Luft anders, rein und klar, ihre Unversehrtheit von immerwährenden Nebeln verhüllt; der Himmel war tiefgrün und schien viel näher über dem Betrachter zu sein.
    Kelric spürte die stürmische Kälte kaum, die an seiner Kleidung zerrte und versuchte, ihm die Kapuze vom Haupt reißen; er stand still wie eine große Wächterstatue und atmete tief die vertraute Bergluft, in der er den ersten würzigen Duft von Kräutern roch, sog die Lungen voll, sah voller Glück auf all die Felsen, die teilweise dicht und pelzartig mit Moos bewachsen waren, auf dem wiederum im Sommer süß duftende Blumen blühten. Den Sommer vor Augen, betrachtete er glücklich die weiter oben halb gefrorene, noch ein wenig jammervolle, ärmliche und nasskalte Bergwelt, die ganz grau und nackt mit dicken Nebelfetzen bedeckt war. Ihm schien es die schönste und reichste Gegend der Welt zu sein, und er lauschte verzückt den verschiedensten Lauten: dem Ruf des Adlers, dem rauen Krächzen der Raben, dem Bimmeln der Halsglöckchen von leise meckernden Hausziegen, die jetzt auf die Weiden getrieben wurden, dem leisen Rascheln von Wildtieren, die ihre Laub und Nadellager verließen und einen ersten Erkundungsgang unternahmen.
    Er war zu Hause! Kelric konnte es kaum glauben, dass er nach so vielen Jahren mühelos hergefunden hatte und das erwartete Glück des Wiedersehens empfand; er erinnerte sich klar und deutlich an seine hier verbrachte Kindheit, und frohe Erwartung folgte ihm dichtauf, als er langsam weiterging, den Stab munter aufsetzend, das weiße Löwenhaupt hierhin und dorthin wendend.
    Nach der zweiten Biegung erreichte er den verbreiterten Hauptweg zum Dorf, das sich wie vor Jahren still und verträumt seinen Blicken darbot; zwar kannte er keinen der Menschen mehr, die er sah, aber sie bewegten sich alle noch mit gleicher Gemächlichkeit; sie waren unverändert in der Kleidung, die Gesichter typisch wettergegerbt und ernst, aber nicht mürrisch.

    Die Menschen blieben stehen, als sie den großen Mann den Weg herabkommen sahen, den sie sofort als Zauberer erkannten; er trug die typischen blauen und grauen Farben der Bruderschaft: enge Beinkleider mit einem seitlich geschlitzten knöchellangen Überwurf, kniehohe schwarze Stiefel, einen breiten Gürtel aus Silber mit einer langen Messerscheide und kleinen Beuteln, eine Halskette mit dem verschlungenen Runensymbol von Laïre und einen weiten dunklen bodenlangen Umhang, dessen Kapuze das Gesicht halb verdeckte. Die Arbeit ruhte augenblicklich, so ein Anblick bot sich nicht alle Tage, und staunende Augen blickten ihm ehrfürchtig nach, als der Heilige Wanderer langsam durch ihre Mitte ging, in so selbstverständlicher Haltung, als wäre er hier zu Hause.

    Kelric störte sich nicht an den scheuen Blicken und dem leisen Geflüster; er war es längst gewöhnt, nirgends ohne Aufsehen erscheinen zu können. Er wusste um seine starke Ausstrahlung und die strahlende Aura von Mythos und Trauer, die selbst nachts in dunklen Straßen noch auf ihn aufmerksam machten. Die Welt und seine mächtigsten Feinde wussten stets, wo er sich aufhielt; das war immer so gewesen, auch als er noch mit Melwin umhergezogen war.
    Als Kelric vor dem Haus des Dorfvorstands innehielt, nahmen die Menschen ihre Arbeit wieder auf. Die Neugier erhob sich stets nur kurz über die strengen Gesetze, die vor allem distanzierte Höflichkeit geboten.
    Kelrics Herz zog sich zusammen, als er den alten grauhaarigen Mann auf der Bank vor dem Haus sitzen sah, pfeiferauchend, geduldig sein Greisentum genießend. Er blickte auf, als der Zauberer vor ihm stehen blieb; in seinen dunklen, von violetten Altersflecken gesprenkelten Augen

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