Uschi Zietsch
zeigte sich ein kurzer Funken regen Interesses, als der für ihn Fremde seine Kapuze zurückschlug und sein gütiges, von einem starken, sanften Willen beherrschtes Gesicht zeigte, mit tiefblauen unergründlichen Augen und einer schneeweißen, über die Schultern herabfallenden Löwenmähne. Seine glatte Haut hatte einen schimmernden Goldbronzeton. Kelric wusste, wie andere ihn sahen, und dass nichts an ihm mehr an den kleinen Jungen von damals erinnerte, blass und dunkeläugig. Es war unmöglich, dass man ihn erkannte.
»Gott Elwin zum Gruß, Heiliger Wanderer«, sagte der alte Mann ehrerbietig. »Gesegnet sei unser Dorf, von solchem ehrwürdigen Besuch geehrt zu werden.«
»Ich grüße Sie, mein Herr«, erwiderte Kelric lächelnd. »Glück auf meinem Weg, der meinen hungrigen Magen zu einem freundlichen Dorf führte.«
Der Greis erhob sich langsam und winkte mit der Hand, die die Pfeife hielt. »So kommt in unsere bescheidene Hütte und nehmt ein einfaches, aber gutes Mahl zu Euch!«, forderte er den Zauberer munter auf. »Nehmt jedoch Euren Zauberstab mit hinein, denn Kinder sind neugierig und verspielt und kennen keinen Respekt.«
Kelric betrachtete sinnend seinen treuen, schmutzigen, abgenutzten Stab. Es hätte vermutlich nicht viel Sinn gehabt, seinem Vater zu erklären, dass dies nichts weiter als ein normaler Wanderstock war. Symbole waren für die Menschen, die er beschützte, sehr wichtig. Die Magie verlor dadurch einiges an Schrecken und wurde besser verständlich. Gehorsam nahm er den Stab mit hinein und stellte ihn gleich bei der Tür ab.
Im Haus war alles nahezu unverändert. Wie bei ihm damals, als er noch ganz klein gewesen war, saß das Großmütterchen auf der Ofenbank und nähte; der Unterschied zu heute lag nur darin, dass diese alte Frau seine Mutter war, sein Bruder nunmehr der Hausvorstand und die krähenden Mädchen und Knaben schon die Kinder seines ältesten Sohnes.
Sie begrüßten ihn freundlich und scheu; er ließ sich ohne zu zögern an seinem gewohnten Platz am Tisch nieder und bat den Greis, sich neben ihn zu setzen. Die Frau seines Bruders, die älter geworden war, aber immer noch so schön wie damals aussah, bewirtete ihn ernst und still mit raschen geschickten Händen, die auch ganz im Vorbeigehen einmal einem ungezogenen Kind einen Klaps geben konnten. Kelric überlegte sich, wie alt wohl seine eigenen Kinder schon sein könnten, aber dieser Gedanke erweckte Schmerz in ihm, und er schob ihn beiseite. Sein Bruder ließ sich ebenfalls am Tisch nieder; seine Frau zog sich still in eine der oberen Kammern zurück. Die Mutter beobachtete ihn von ferne.
Kelric dachte: Sie erkennt mein Aussehen nicht, aber sie spürt ein Band. Ihre Gedanken sind verwirrt und ratlos. Kurz entschlossen stand er auf und trat auf sie zu, während er aus einer Tasche ein seltsames Ding zog. »Dies«, erklärte er, »sind Augengläser aus geschliffenem Glas. Ich sehe, dass Sie kurzsichtig sind. Probieren Sie sie aus.«
Die Alte blickte unsicher und misstrauisch zu ihm auf.
Kelric versicherte: »Es ist kein Hexenwerk, sondern eine neue Errungenschaft aus Laïre. Wir können für nahezu jede Augenschwäche bestimmte Gläser herstellen. Versuchen Sie es nur, Sie werden sehen, wie es hilft.«
Seine Mutter gehorchte zögernd, und das faltenreiche Antlitz nahm einen so überraschten und verblüfften Ausdruck an, dass Kelric ihr impulsiv über das sorgfältig hochgesteckte graue Haar strich.
»Sehen Sie?«, lächelte er. »Plötzlich ist die Welt wieder klar.«
»Wahrhaftig«, hauchte sie, und ein leuchtendes Strahlen erhellte ihr runzliges Gesicht. »Wie kann ich Euch danken?«
Kelric winkte ab. »Ihre Freude ist mein Dank, Frau.«
Sie kicherte und vertiefte sich begeistert in ihre Arbeit, nicht ohne von Zeit zu Zeit zum Tisch zu schielen, wo Kelric wieder Platz genommen hatte und nun mit gutem Appetit die Mahlzeit verzehrte.
Man unterhielt sich über allgemeine Dinge des Berglebens, und Kelric merkte schnell, dass die Familie ein Kummer quälte; aber er war einfühlsam und erfahren genug, um zu wissen, dass man solche Dinge nicht gleich ansprach; er wollte lieber warten und später vielleicht in ihren Gedanken lesen, wenn sie gar nicht damit herausrücken sollten. Schließlich trat eine Gesprächspause ein, in der Kelric überlegte, wie er sich zu erkennen geben konnte; er hatte die leise Furcht, dass er als Sohn vielleicht gar nicht mehr willkommen war.
Er lehnte sich zurück, zündete sich ebenfalls
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