Uschi Zietsch
kläglich: »Wie ist das, wenn man vergisst?«
Kelric blickte ihn an, seltsam schmunzelnd. »Was haben Sie denn vergessen?«
Der Troubadur überlegte angestrengt und blickte dann erstaunt. »Nichts«, sagte er irritiert. »Jetzt habe ich doch tatsächlich vergessen, was ich vergessen habe. Ich weiß gar nicht mehr, worum es ging. Worüber spracht Ihr doch gerade, Lord Kelric?«
»Ich sprach über die zweite Menschenrasse, junger unaufmerksamer Freund, aber es war nicht so wichtig. Ich erzähle es Ihnen später noch einmal.«
Der König grinste, während er den verwirrten Sänger beobachtete, und sprach dann: »Herr Troubadur, wenn Ihre Kunst so groß ist wie Ihr Name berühmt, so werde ich Ihnen eine reichlich bezahlte Stelle geben.«
Gromgens Augen leuchteten freudig auf. »Ihr werdet es sicher nicht bereuen, Herr!«, rief er aus.
»Sehen Sie«, fuhr Emhold fort, »vor wenigen Tagen erst hat mir meine liebreizende Gattin ein Söhnchen geboren, den heißersehnten Thronerben. Das Kerlchen ist stramm und kräftig, aber sie liegt seither schwach darnieder und ist plötzlich so schwermütig geworden. Ich weiß, wie sehr sie die Musik liebt, und hoffe, dass Ihr Gesang sie aufheitern wird und gesund macht. Ich werde einen Diener rufen, der Sie zu meiner Frau bringt.«
Gromgen Vogelsang sprang auf und verbeugte sich tief. »O Herr«, sagte er begeistert, »es wird mir eine Ehre und Freude sein, Eurer Königin dienen zu dürfen!«
Der König sah ihm lächelnd nach; erst als er mit Kelric allein war, erstarrte seine Miene in Kummer.
Der Zauberer beugte sich vor und legte eine Hand auf des Königs Arm. »Sie ist todkrank«, sagte er mitfühlend. »Warum habt Ihr nichts davon gesagt, Emhold?«
Der König blickte ihn mit den Augen eines verwundeten Tieres an. »Könnt Ihr Geisteskrankheit heilen?«, flüsterte er. »Vor mehr als dreißig Jahren, als ich achtzehn war, habe ich sie geheiratet. Ein Zauberer war damals am Hof, der mir sagte, was sie bedroht. Es würde wenige Wochen dauern, sagte er, und begänne mit körperlicher Schwäche und endete in Geistesverwirrung und Tod.« Er rieb sich die Augen. »Es tröstet mich nur, dass sie nicht leiden wird. Der Zauberer sagte, dass es etwas sehr Seltenes und nicht vererbbar sei.«
»Aha«, sagte Kelric langsam. »Und er hieß Melwin.«
Der König nickte. »Er besuchte mich vor acht Jahren das letzte Mal. Ich hörte seither nichts mehr von ihm. Er ist mir ein lieber und guter Freund.«
»Er erweckte das Lachen in mir«, flüsterte Kelric. »Daher die Vertrautheit zwischen uns ... er wusste um unsere Verwandtschaft, woher auch immer, und schuf dieses Band, damit wir einander erkannten.«
Der König war blass geworden. »Kelric«, fragte er stockend, »glaubt Ihr ... glaubt Ihr, dass wir Brüder sind?«
Der Zauberer schüttelte den Kopf. »Verwandt, ja. Aber keine Brüder, nicht leibliche. Es ist so ähnlich wie bei Melwin, eine mystische Verbindung, die in ihm stärker lebt, er ist älter als wir und kommt aus Lindala, wo alle Fäden zusammenlaufen. – Nein, schweigt!«, rief er hastig, als er den König zum Sprechen ansetzen sah. »Sprecht diesen Namen nicht aus, ich bitte Euch!« Er erhob sich und wanderte nachdenklich auf und ab. »Melwin war ein Jahr nach meiner Ersten Prüfung bei Euch. Woher kommt Eure Frau?«
Emhold war plötzlich verlegen. »Ich weiß es selbst nicht«, gestand er. »Ich traf sie im Wald und lief hinter ihr her, und ich nannte sie Waldfee und bat sie, bis sie stehen blieb. Immer wieder fragte ich sie, wer sie sei, doch sie lachte nur, sie sei nun meine Waldfee, ich hätte selbst gewählt. Und weil sie mich ebenso liebte, wie ich sie, heirateten wir, und – Kelric, was ist mit Euch?«, rief der König erschrocken und sprang auf, als er den Zauberer wanken sah.
»Eure Frau ... wie heißt sie?«, fragte Kelric heiser.
»Talanee«, antwortete Elmhold.
Kelric seufzte leise. »Talanee bedeutet Himmelstochter «, flüsterte er. »In Eurem Dialekt. Es gibt noch zwei Dialekte, in denen Himmelstochter Rialda und Lydia heißt ... meine und Melwins Mutter.«
»Heiliger Fluss der Seelen, nein!«, rief Emhold sehr erschrocken. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
Kelric ergriff seine Arme. »Emhold, diese drei Frauen sind Menschen wie Ihr und ich, aber ihre Namen bedeuten eine Prophezeiung, eine Botschaft Elwins, die selbst unter Zauberern nahezu unbekannt ist. Es klärt das Band und die Verwandtschaft zwischen uns allen ... nur besteht da noch eine
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