Uschi Zietsch
Troubadur ihm bei, dann druckste er herum, bis er schüchtern fragte: »Und – wie alt seid Ihr, wenn Ihr gestattet?«
»Neunundvierzig, mein junger Freund. Es ist auch ein schönes Alter. Man gehört noch nicht zum alten Eisen und hat doch viel erlebt«, antwortete Kelric.
Der Sänger spielte einige Zeit gedankenverloren, ehe er feststellte: »Ihr Zauberer seid seltsam, wenn ich das mal sagen darf. Unzählige Legenden ranken sich um Euch, Ihr seid so mystisch und erhaben, aber wenn man dann gemeinsam mit Euch geht, seid Ihr so freundlich und aufgeschlossen.«
»Das liegt vielleicht daran, dass wir durch unsere Fähigkeiten von normalen Menschen abgeschnitten und sehr einsam sind. Sie sind ein so herzerfrischender fröhlicher junger Mann, Gromgen, und Ihre Gesellschaft ist mir sehr angenehm und eine Freude. Aber warten Sie, bis wir auf Emhold sind, und Sie werden mich so erleben, wie man Zauberer kennt. «
»Woran liegt das?«, wollte Gromgen wissen.
»An der Geschichte und der Gesellschaft«, antwortete Kelric, »und an der Last, die wir tragen müssen.«
Schloss Emhold war das reinste Flickwerk: In der Mitte stand ein gewaltiges Haupthaus, das viele kleinere Bauwerke und Türmchen schachtelartig umdrängten; die Gänge waren schmal und labyrinthisch angelegt, die Zimmer jedoch hell und gemütlich.
Die schwer bewaffneten Wachposten ließen den Zauberer und den jungen Barden in seiner Begleitung sofort durch; eine der angenehmen Nebensächlichkeiten, mit denen Kelric sich lange Auseinandersetzungen ersparte. Man erkannte ihn überall als Zauberer, und der oftmals bekannten Beschreibung nach auch als legendäre Persönlichkeit. Verschlossene Tore gab es für ihn nicht.
Der Thronsaal war als weitläufige Empfangshalle gestaltet, von der alle Gänge in die anderen, interessanteren Teile des Schlosses abzweigten. Gromgen Vogelsang schritt sogleich forsch auf den unscheinbaren Thron zu, der sich schüchtern im schlecht beleuchteten Teil der Halle hinter wuchtigen Säulen verbarg. Als der Barde dort niemanden vorfand, kehrte er ratlos um und prallte unversehens mit einem hochgewachsenen, jung wirkenden Mann zusammen, der in freundliche helle Gewänder gekleidet war.
»Ja, gibt's denn hier keine Diener?«, rief der Troubadur, nachdem er sich unter Verbeugungen für seine Tollpatschigkeit vielmals entschuldigt hatte. »Wir haben kaum gewagt, das Schloss zu betreten, so schwer bewacht ist es, und nun stehen wir in einer ganz leeren Halle ohne König und Diener, und da will doch wirklich Schüchternheit nach mir greifen, was mir sonst nie passiert.«
Der große Mann mit dem anziehend markanten Gesicht lächelte. »Es ist noch Frühstückszeit, mein Herr. Der König ist ein Langschläfer und liebt außerdem das höfische Getue nicht sehr. Schloss Emold ist eher ein landwirtschaftlicher Betrieb, wo Jedermann zupackt. Loïree ist nicht reich, aber es gibt viele Menschen, die satt werden wollen. Die Könige waren stets der Auffassung, dass Schmuck und Prunk nicht sättigen.«
»Oh«, sagte Gromgen niedergeschlagen, »da bin ich doch falsch. Ich bin ein Troubadur, der höfischen Glanz braucht. Überall spricht man von Emholds Reichtum ... «
»... den ihm seine Nachbarn neiden. O ja, Loïree ist reich an Bodenschätzen, aber arm an den Wohlgenüssen der Natur. Und die Gerüchte braucht der König, um ernstgenommen zu werden, denn wenn man wüsste, dass er arbeitet und sich als einzigen Luxus das lange Schlafen leistet ... «, unterbrach der Mann und drehte sich um, als er ein leises Lachen im Hintergrund hörte. Sein Gesicht nahm zunächst einen erstaunten Ausdruck an, als er noch jemanden hinzutreten sah, doch dann hellte sich seine Miene freudig auf, und er rief: »Lord Kelric, welche Freude!« Er packte die Hand des Zauberers, schüttelte sie herzlich und klopfte anschließend Gromgen lachend auf die Schulter, der beinahe ihn Ohnmacht fiel und vor lauter Verlegenheit seinen tiefsten Bückling vollführte und pausenlos Entschuldigungen murmelte.
»Aber, aber«, rief der König, »nun beruhigen Sie sich doch, junger Freund! Die Verlegenheit ist ganz auf meiner Seite – zum einen, weil ich mir diesen Scherz auf Ihre Kosten erlaubte, und zum anderen, weil ich mich bei Lord Kelric entschuldigen muss. Ja, wirklich! Bitte verzeiht das Verhalten dieses Wichtigtuers gestern in der Schänke! Er wollte sich wieder bei mir einschmeicheln, nachdem ich ihn wegen seines Trinkens schon mehrmals ermahnt und seinen Lohn gekürzt
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