Uschi Zietsch
Seine Worte wirkten wie ein Donnerschlag auf Kelric, der für einen winzigen Augenblick wankte.
»Ein Schattenfürst . ..« wiederholte er erbleichend.
Kruilon nickte. »Ein Ghûle selbst«, erklärte er.
»Nein«, keuchte Kelric. »Nein!«
Gorwynas Aufschrei hinter ihm zerriss die Luft. »Die Kälte! Kelric, die Kälte kommt! Das Unheil ...«
Ein grollendes, ohrenbetäubend starkes Fauchen und Knurren zerfetzte die Stimme der Prinzessin, und selbst die Nebel wichen vor dem monströsen Wesen zurück, das langsam aus dem Zwielicht hervorkam. Der Ghûle war mindestens doppelt so groß wie Kelric, die schwarze Gestalt massig und schwer an Muskeln; riesige rote Hautflügel mit langen Geißeln an den Enden peitschten singend und pfeifend die Luft, die Beine waren stämmige Säulen, die langen Arme endeten in prankenähnlichen Klauen, der Kopf war finster, mit langen spitzen Pinselohren, einem der Stirn entspringenden riesigen roten Hörnerpaar und einer abstoßenden Dämonenfratze; die Nase wie die einer Fledermaus, der mit grünen Reißzähnen gespickte Rachen ein Höllenschlund mit giftigem, eisigem Atem, aus den Augen schlugen Flammen.
»Mein Name ist Angst, Tod und Vergeltung!«, donnerte der Ghûle. »Ich bin Ychtramil der Entsetzliche und ein Schattenfürst, Kämpfer der Finsternis, rechte Hand Oloïns des Gelben, jedoch nicht sein Diener. Ich gebe den Phantomen die Macht, dich und dein Volk geeint zu bekämpfen, Kelric, mit der Kraft meiner Höllenaugen und mit meinem Eisatem.« Er öffnete den Rachen und hauchte fünf außenstehende Männer an; die Luft glitzerte und funkelte in blauen Eiskristallen und bildete undurchsichtige Wirbel; Kelric hörte die kurzen erstickten Schreie der Männer, und als der Ghûle die rotgewordene Luft tief in sich einsog, lagen verkrümmte, steinharte, ausgedörrte Leichen am Boden.
»So!«, grollte Ychtramil gestärkt. »Und nun kämpfe du gegen mich, Kelric. Es wird nur ein persönlicher Kampf sein, denn du siehst kein Sonnensymbol auf meiner Brust. Wende deine ganze Kraft gegen mich auf, das wird mich erfreuen, denn um so stärker werde ich. Ich werde dich ganz langsam zerquetschen.«
»Soviel Ehre für einen unbedeutenden sterblichen Menschen«, murmelte Kelric.
Der Ghûle lachte dröhnend. »Deine ungeheure Kraft begehre ich, Winzling, deine ganze Macht und die Gabe, die du doch nie richtig nutzen könntest!«
Kelric fuhr herum, »Los, Männer!«, schrie er. »Auf die Pferde, zu den Waffen, brecht durch das Heer und rettet euch zum Fluss! Dort treffen wir uns!«
Die Soldaten reagierten augenblicklich. Gorwyna trat wild um sich, als Falland sie zu seinem Pferd schleppte und mit ihr davon stürmte.
»Ich muss bei Kelric bleiben!«, brüllte sie. »Kelric, Kelric!« Ihr lautes Geschrei ging in dem wütenden Kampflärm unter, als der Phantomkönig zum Angriff rief.
Im selben Augenblick schlangen sich die Flügelpeitschen des Ghûlen um den Körper des Zauberers und rissen ihn hoch; Kelric schrie vor Schmerz auf, als die brennenden Geißeln sich in seinen Leib fraßen.
»Angst?«, lachte Ychtramil.
»Keine Angst«, stöhnte Kelric und wand sich schwach in der grausamen Umklammerung. »Wer ein Zauberer ist, fürchtet nie wieder die Folter. Der Tod ist eine Erlösung gegen die Pein des Lebens.«
»Wir werden sehen«, knurrte der Ghûle und stieß seinen Atem aus; Kelric schrie entsetzlich auf und versuchte, sich gegen den eiskalten, tödlichen Hauch zu wehren, der ihn wie eine feste Hülle umgab, ihm den Atem raubte und seine Lebenskräfte absaugte.
Er wusste jetzt, dass er seinem Schicksal begegnet war, und aller Hochmut fiel von ihm ab. Seit Gorwyna gestern Abend die rätselhaften Worte ihrer Angst gesprochen hatte, hatte er nagende Unsicherheit gefühlt; ein unbestimmtes Gefühl einer Vorahnung des nahenden Todes, und Verzweiflung hatte ihn ergriffen, weil er seinen ganzen Kampf als umsonst erkannte. Er hatte gewusst, dass er gegen einen Gott nicht siegen konnte; aber er hatte nie der Gewissheit in die Augen sehen wollen, dass der Tag seines Todes näher und näher rückte seit dem Zeitpunkt, da er mit Oloïn gesprochen hatte. Er spürte, wie sein Verstand von den Höllenaugen gebannt und gelähmt wurde, während der Eiszauber ihm das Leben nahm; seine Bewegungen wurden fahriger und matter; aber in dem Augenblick, als sein Körper versagte, handelte sein Verstand und ließ die Magie unkontrolliert frei. Kelrics Augen schlossen sich, seine gesamte Macht ballte sich
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