Uschi Zietsch
wurden wohl ebenso aufgestachelt wie die Phantome.« Er deutete auf die verstreuten Holzteile. »Wenn wir uns beeilen, können wir noch vor Sonnenuntergang ein Floß reparieren und mit Stangen übersetzen. Ich will versuchen, ob ich durch Zauber helfen kann.«
Die Männer arbeiteten schnell und verbissen; Kelric musste bald erschöpft aufgeben. Er konnte noch nicht zaubern, und seine Brust stach entsetzlich, wenn er ein Holzteil anheben wollte. Mit zusammengebissenen Zähnen machte er sich dennoch daran, wenigstens beim Verschnüren zu helfen. Gorwyna, die nicht gebraucht wurde, flüchtete sich in einen unruhigen Schlaf, um wieder etwas zu Kräften zu kommen.
Schließlich hatten sie ein zerbrechliches Floß gebaut, auf dem die Menschen und wenigstens zehn Pferde mit knapper Not Platz fanden. Vier Männer standen mit langen Stangen bereit, und sie stießen sich mit unruhigem Gefühl vom Ufer ab. Bis Sonnenuntergang war nur noch eine Stunde.
Es ging bis zur Flussmitte gut; von dem muffigen, sauren Geruch des Wassers und Dampfes war ihnen allen ein wenig schwindlig geworden, doch sie konnten Kurs halten und das andere Ufer war bereits in Sicht.
Da begann es an manchen Stellen unheimlich zu glucksen und zu blubbern, und plötzlich scheute aus unerfindlichem Grund ein Pferd; es begann zu stampfen, zu wiehern und zu tänzeln. Als ein Mann herbeisprang, um es zu beruhigen, gab es ein hässliches knackendes und knirschendes Geräusch, und das Floß barst an vielen Stellen auseinander. Kelric, der Gorwyna an sich riss, schrie den Männern zu, auf die Pferde zu springen, aber es war schon zu spät. Während die Männer und die Tiere ins Wasser stürzten, begann der Fluss sich brüllend aufzubäumen und gewaltige Wellen aufzuwerfen. Der Zauberer und die Prinzessin fielen ebenfalls in den Strom, als das Floss endgültig auseinanderbrach. Durch den heftigen Sog wurden sie einander entrissen und verloren sich aus den Augen. Der Fluss trieb sie alle mit seinen reißenden Fluten mit, weit verstreut.
Kelric wusste später nicht mehr, wie er es geschafft hatte, lebend das Ufer zu erreichen; erneut kämpfte er zäh wie eine Katze um sein Leben und schwamm, ohne nachzudenken, durch die aufgewühlten Fluten. Erst als seine Füße Land ertasteten, und er sich auf allen Vieren aus dem Wasser ans Ufer gezogen hatte, gestattete er sich eine tiefe Ohnmacht.
Als er erwachte, war er allein. Er richtete sich mühsam auf und ließ den Blick suchend das Ufer entlang schweifen, aber bis auf wenige Holzteile, angeschwemmte einzelne Packtaschen und ein totes Pferd fand er keine Spur seiner Gefährten. Niedergeschlagen und verzweifelt stand er auf, sammelte an Vorräten und Decken zusammen, was er finden konnte, und begann zu laufen – in das Regental hinein, ohne Plan und Ziel, irgendwohin, immer nur ein einziges Wort rufend: Gorwyna .
Das Regental war wie die Salzwüste an der südlichen Grenze, sowie Phantomland und Hungerland ein magisches Gebiet von Lerranee, ein Überbleibsel aus dem Götterkrieg. Der Himmel war unablässig mit schweren Wolken verhängt; es herrschte ständig düsteres Zwielicht. Jahrein, jahraus strömte vom Himmel ein gleichmäßig starker, nie erschöpfender Regen herab auf kurzes sattgrünes Gras. Es gab nur wenige Büsche oder Bäume in einer riesigen weiten Ebene; Regen und Luft waren von stetig gleichbleibender milder Kühle.
Dafür interessierte der Zauberer sich derzeit nicht. Er lief wie von Sinnen dahin. Er hatte versagt, zum zweiten Mal in seinem Leben, aber diesmal nicht bei sich selbst, sondern bei Menschen, die er hätte beschützen sollen. Oloïns Fluch war nicht mehr aufzuhalten; wo Kelric auch hinging, brachte er nur noch Tod und Verderben. Und der Krieg näherte sich unaufhaltsam, bevor die Menschenlande vorbereitet waren. Kelric würde seinen sorgfältig ausgeklügelten Plan nicht mehr ausführen können. Der Gelbe Gott war ihm zuvor gekommen, und Elwin hatte es nicht verhindert.
Wenn er nun allein war, der einzige Überlebende, was sollte er dann tun? Konnte er der Bruderschaft noch unter die Augen treten, würden ihm die Menschen jemals wieder vertrauen?
Alles schien zu Ende zu sein, und Kelric blieb nichts anderes mehr, als sich an den letzten Rest Hoffnung, den er nicht aufgeben wollte, zu klammern und weiter zu suchen.
Er wusste nicht, wie lange er halb im Wahnsinn dahinlief und pausenlos nach der Prinzessin rief. Seine Gedanken auszuschicken, hatte er keine Kraft mehr.
Es traf ihn wie ein
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