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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Mitglied der Brigade Wehrhart zu werden?«
    Noris duldete den Spott und entgegnete fast verschmitzt: »Auch das Heldentum braucht seine Ordnung.«
    Die Stimmung lockerte sich, und wir sprachen von unserem Untergang wie von einer heiteren Episode der Weltgeschichte, die längst zurückliegt und deren bit tersüße Tragik niemand mehr schmeckt.
    »Eben weil wir im Grunde schon tote Leute sind«, sagte Tirwa, »wünschte ich mir brennend, unsere Gehröcke noch ein kräftiges Lebenszeichen spüren zu lassen.«
    Wir riefen unsere Genossen Ingenieure. Die hatten sich natürlich über solche Möglichkeiten die Köpfe reichlich zerbrochen. Aber erfolglos. Unser Energiepanzer hinderte jede Kundgebung nach außen.
    »Dann wollen wir wenigstens nachts unsere Lichtsäule wieder strahlen lassen«, meinte Tirwa, »und sie rot färben, damit sich die Goldonkels noch ein bißchen ärgern.« Wir hatten sie, um Energie zu sparen, in den letzten Nächten eingezogen, zumal uns ja Flugzeuge nicht mehr suchten. Da uns aber nur wenige Tage zugemessen waren, brauchten wir nicht zu knausern.
    Dieser Vorschlag wurde unter Gelächter gebilligt.
    Da meldete sich ein junger Techniker zum Wort, der bisher an der Aussprache keinen Anteil genommen hatte. »Unser Elektropanzer«, führte er aus, »stellt eine ungeheure Energie dar, die uns zwar vor der Morgonstrahlung schützt, für die Genossenschaft aber nichts leistet. Wir Ingenieure sollten uns mal überlegen, ob wir dieser Energie nicht eine andere Richtung geben könnten. Ob wir sie nicht zum Beispiel auf das Haus von Morgon konzentrieren könnten. Wir würden dann zwar ebenso schutzlos sein, wie unsere Genossen in der Stadt. Vielleicht aber würde diese Energie ausreichen, um den Stahlkasten, der höchstens drei Kilometer entfernt liegt, auszuglühen, wie?«
    Diese Idee verblüffte uns alle. Sie leuchtete ein, wie Columbus’ Erfindung, ein Ei auf die Spitze zu stellen.
    Aber schon begannen die Konstrukteure zu grübeln und auf der Tischplatte zu rechnen. Ohne entsprechen de Werkstätten in drei oder vier Tagen die nötigen Apparate bauen … wer würde das können. Es ist unmöglich, war die Ansicht aller Fachleute.
    Der junge Ingenieur lächelte: »Ich halte es ja auch für unmöglich. Aber wir wollen doch gleich mal anfangen und sehen, über welches Material wir im Turm verfugen.«
    Damit empfahlen sich die Leute von der Technik.
    »Und du«, wandte sich Noris an mich, »gehst wieder in die Stadt, bist vorsichtiger als bisher, und tust der Morgonsippe Schaden, wo du kannst.«
    Ich ging gern.
    Wenn wir uns auch jetzt über die Lage hinwegspielten, so würde doch tagelanges untätiges Warten auf das Unvermeidliche eine fressende Qual werden. Lieber wollte ich mein Leben an ein verzweifeltes Wagnis hetzen. Ich gab mich dem eitlen Gedanken hin, vielleicht doch ganz allein das große Rettungswerk vollbringen zu können, und sah mich im Geiste schon als gefeierten Helden des Tages. Schämte mich dann solcher Träumereien und besann mich auf die klare Pflicht, die mir eine besondere Aufgabe zuteilte, weil ich zufällig eine besondere Eignung dazu besaß, die ja kein selbsterworbenes Verdienst war.
    Ich wechselte die Verkleidung. Schminkte mich greisenhaft, setzte mir eine weißhaarige Perücke auf, und ließ mir von einem geschickten Genossen eine dünne Schifferkrause kleben.
    So ging ich zu dem scharfsichtigen Tirwa und fragte nach »Europakarl«, wie mich die Genossen scherzhaft nannten.
    Tirwa schaute mich aufmerksam an, wie er stets tat, wenn er jemanden anredete, und antwortete, ich müßte in meinem Zimmer sein.
    Mit diesem Bescheid war ich zufrieden.
    Bald hatte mich die Stadt wieder.
     
28
     
    Der Betrieb war toller als zuvor.
    Aus einem der Wohnhäuser drang wüstes Geschrei. Ich trat ein. Eine Frau prügelte einen jüngeren Mann und hieb ihm ein Stangenkorsett um die Ohren. In den Türen standen Leute, guckten zu und freuten sich.
    »Du Lump, du willst mir ein christlich angetrauter Ehemann sein? Wenn ich dich noch mal mit dem Mädel erwisch’, hau’ ich dir die Knochen kaputt!«
    Klatsch, klatsch, sauste die elastische Waffe auf den Armen nieder, der vergeblich nach Worten rang.
    Eine Tür sprang auf. Furiengleich stürzte sich ein kräftiges, junges Weib auf die beleidigte Ehefrau und zerschmetterte einen Muschelaufsatz auf ihrem Kopf. »Mich hat er geheiratet!« kreischte die Jüngere. »Mir gehört er. Scher’ dich zum Teufel, alte Kuppelmutter!«
    Schon wälzten sich die

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