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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Offizier!« brüllte ich, stand stramm, sprang in den Wagen. Wir rasten durch den menschenleeren Boulevard, daß der Asphalt quietsch te. Wie gut das tat, im weichen Leder zu sitzen!
    Vom Turm her dröhnten wieder Explosionen. Dort wurde also noch gearbeitet. Arme Kameraden, euch konnte Joll keinen Heiland und kein Goldgräber-Abenteuer schicken.
    Die Privatstadt war jetzt durch Polizeiketten von der Arbeiterstadt abgesperrt. Ohne den glücklichen Zufall, der mich zum kaiserlichen Wegweiser gemacht hatte, wäre ich kaum mehr durchgehuscht.
    Einige Häuserblocks vor dem Handelsklub ließ ich rechts einbiegen.
    Der bekümmerte Kaiser-Bob wunderte sich immer heftiger über das sonderbare Marschziel seines Heeres. Ich ließ halten.
    »Hab mich – glaub’ ich – geirrt.«
    »Ogottogott, das ist eine Nacht!« seufzte der allerhöchste Herr.
    Ich riß den Wagenschlag auf, sprang heraus, über den nächsten Zaun und verschwand in den Büschen.
    Schreie hinter mir. Zwei Schüsse krachten. Sie mochten Tulpen oder Rosenköpfe zerschmettert haben.
    Mehr als das beunruhigten mich die Polizeipfiffe, die kurz darauf aus verschiedenen Richtungen trillerten. In einigen Minuten ist das ganze Viertel rebellisch und umstellt, sagte ich mir. Ich besaß plötzlich die Fähigkeiten von zehn erstklassigen Artisten, turnte über Gitter und Hecken, sprang über Gräben, rutschte an Mauern abwärts und landete wohlbehalten im Park des Klubhauses.
     
32
     
    Ausgedacht hatte ich mir meinen letzten Besuch bei Morgon so: Türwart des Klubhauses niederschlagen, ebenso den Sekretär, dessen Kleider anziehen, seidene Maske vor das Gesicht binden, durch den Tunnel als Mitglied des Präsidiums passieren …
    Vorläufig kroch ich gebückt durch die Büsche, selbst gehetzt und verfolgt. Das Portal war sicher schon von Gummiknüppeln bewacht. Ich mußte von der Gartenseite ins Innere des Hauses dringen, und zwar so rasch wie möglich.
    Das Tor zur Gartenterrasse war verschlossen, alle Fenster des Erdgeschosses stark vergittert, die Wände ragten ohne Simse und Kerben glatt auf. In die Höhe mußte ich, unten würde man mich einkreisen, wie die Hundemeute den Fuchs. Blieben nur die hohen Palmen neben der Terrasse.
    Ich erinnerte mich, bei Negern gesehen zu haben, daß sie mit Hilfe einer Seilschlinge rasch an Palmen hinaufliefen. Sie stemmten die nackten Füße gegen die Astwülste und schnellten die Schlinge, die sie in den Händen hielten, aufwärts. Zog also die Schuhe aus, hing sie mir um den Hals, drehte die Weste zum Strick und versuchte nach Art des braunen Mannes den Weg in der Senkrechten zu gehen. Mehrfach rutschte ich, riß mir Füße und Arme blutig, kam aber langsam höher. Die Blätterwedel des mächtigen Baumes schienen sternenweit.
    Da hörte ich Pfiffe dicht unter mir. Laternen blitzten auf. Man suchte den Garten ab. Ohne zu wissen, wie, sprang ich am Stamm empor, schwang mich in die dickfleischigen Äste und saß wie ein Affe zwischen Kokosnüssen.
    Unten leuchteten Gummiknüppel das Gelände ab und konnten sich nicht beruhigen. Wahrscheinlich hat ten sie Spuren gefunden. Die Metallbeschläge ihrer flachen Helme funkelten böse herauf.
    Da löste sich unter meinen Füßen eine Nuß und fiel gewaltig krachend auf die Stiefelspitze eines eifrigen Polizisten, der mit dem Schuh auf ein verdächtiges Zeichen im Sand gewiesen hatte.
    Der Getroffene heulte auf und setzte auf dem gesunden Bein mit einem Panthersprung zur Seite. Seine Kollegen lachten. Man kam zur Einsicht, ich müßte über die nächste Mauer weitergeflüchtet sein, und troll te sich davon. Fluchend hob der Gezüchtigte die wuchti ge Nuß vom Boden, klemmte sie unter den Arm und hink te den anderen nach …
    Ich sah mich um. Der flache Dachrand lag knapp unter mir. Ohne Anlauf konnte ich nicht hinüberspringen. Trotzdem, was riskierte ich denn? Entweder ich stürzte ab oder Jolls Fernlenker sorgten für mein ruhmloses Ende. Ein Unterschied von knapp zwei Stunden, schätzte ich.
    Ich hangelte mich an einer kräftigen Rippe nach außen, bis ich das Blatt fühlte, und begann mich wie auf einer Schaukel zu schwingen. Kein angenehmes Gefühl ohne Fangnetz unter mir, dürft ihr mir glauben. Doch der Ast hielt. Ich ließ los, flog auf das Dach zu und erwischte die Kante mit beiden Händen. In diesem Augenblick packte mich der Schwindel. Mit vergehenden Kräften hing ich zwischen Himmel und Erde. Die Welt ging im Kreise, ich wußte nicht mehr, ob ich noch Halt hatte oder schon ins

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