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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Bodenlose fiel. Vielerlei hörte und sah ich in diesen Sekunden. Oben auf dem Dach stand ein schönes Mädchen und beugte sich zu mir. »Komm, Karl«, sagte es leise, »so lange warte ich schon auf dich.« Jana – Jana … aber ich wagte nicht einmal ihren Namen zu flüstern. Da marschierte hinter mir meine Turnriege auf, acht stramme Kerls (manchen Streich hatten wir gemeinsam ausgefressen). »Was, der Karl bringt nicht mal mehr ’n einfachen Knickstütz zuwege«, höhnten sie. Und da ging’s. Ich biß die Zähne zusammen, meine Muskeln arbeiteten und ich rief: »Paßt mal auf, wie man das macht, wenn Jana zuschaut!«
    Dann lag ich wie geprellt in der Blechtraufe, fast ohnmächtig. Meine Gedanken flatterten wie aufgescheuchte Fledermäuse um Jana. Wie kam es, daß ich mich so selten mit ihr beschäftigte, obwohl sie doch mein ganzes Wesen ausfüllte? War sie noch in Utopolis, war sie mit den Paradiessuchern ausgewandert? Sie ist hier, ganz in der Nähe, du mußt sie befreien! … Armselige Fieberphantasien, dachte ich später, als ich wieder zu Kräften kam.
    Ich erholte mich und richtete meine Aufmerksamkeit auf das Nächste. Die Falltüren auf dem Dach waren verschlossen. Nach einiger Mühe gelang es mir, eine Oberlicht-Glasplatte auszuheben. Ich stieg ein in den Fahrstuhlschacht und kletterte langsam abwärts. Dichteste Finsternis umgab mich. Wenn der Passagierkasten hochsaust, zerquetscht er dich wie eine Fliege, überlegte ich. Kletterte ins Endlose, tastete mit den Händen die Türen der Stockwerke ab. Das Haus war wie ein Bergwerk tief unter die Erde gebaut.
    Endlich stieß ich auf das Oberteil des Fahrkastens und versuchte, mich zwischen den Stahlstangen des Schachtgerüstes durchzuzwängen. Meine Hände glitten über die Glasfenster der Kabine. Da es bei den übrigen Stockwerken nicht möglich gewesen war, ins Treppenhaus einzusteigen, nahm ich an, die Sohle des Schachtes erreicht zu haben. Demnach mußte sich links der Wagen befinden, der den Tunnel durchrollte. Ich fühlte wie ein Blinder an den Wänden entlang. Den Wagen fand ich nicht, aber die Schienen. Das Gefährt wartete wahrscheinlich am anderen Ende der Strecke auf Gäste.
    Ich schritt rüstig zwischen den Geleisen aus. Der Tunnel war so schmal, daß ich bei ausgebreiteten Armen die Fingerspitzen an beiden Wänden streifen lassen konnte.
    Plötzlich hörte ich dumpfes Rollen. Ein Lichtschein fiel mir entgegen. Der Wagen!
    Ich warf mich zwischen die Schienen, das Gesicht gegen den Boden gepreßt.
    Das Unheil raste über mich hin. Man hatte mich wohl nicht bemerkt.
    Geduckt lief ich weiter. Wie lange? Wie weit? Ich schlug mit der Stirn gegen eine metallische Wand, daß mir Feuer aus den Augen sprang. Endstation. Haus Morgon.
    Für alle Fälle band ich die seidene Maske vor, obwohl ich, verschmiert und zerrissen, niemandem den Geldmann hätte vorspiegeln können. Eine Maske macht geheimnisvoll und erregt mehr Schrecken, als die gewöhnliche Muskel- und Fettpackung, die man Gesicht nennt.
    Schrecken mußte von mir ausgehen, wenn mich jemand ertappte. Ich war entschlossen, mich wie ein wütender Tiger auf jeden zu stürzen, der mir in den Weg treten würde.
    Der Sitzungsraum des Präsidiums befand sich nach meiner Schätzung im Erdgeschoß oder im ersten Stock. Wir waren nur einige Sekunden gefahren, als man mich, das heißt den Kriegsminister von Starkström, ins Allerheiligste der Goldburg eingelassen hatte.
    Der Strahler würde wohl im obersten Stockwerk un tergebracht sein.
    Wieder klettern! Aber diesmal nur am doppelten Zugseil; denn der Raum, in dem der Kasten glitt, war eine nahtlose Metallröhre.
    Meine Hände, zerschrammt, bluteten. Die Minuten wurden zu qualvollen Stunden, zumal mich die Finsternis fast betäubte. Endlich fühlte ich eine Decke über mir und ein Loch, in dem das Seil verschwand. Der höchste Punkt war erreicht. Ich suchte nach der Ausgangstür, fand einen Riegel und schob ihn zurück. Die Tür sprang auf, ich stand in einem hellen Vorraum. Aber schon sauste unter leisem Glockenzeichen der Fahrstuhl herauf. Rasch schlug ich die Tür zu und versteckte mich hinter einem Pfeiler. Am Stockwerkzeiger sah ich, daß die Kabine sofort wie der sank. Automatenwerk ohne Bedeutung. Ich atme te auf.
    Wieder im Licht zu sein, tat mir so wohl, daß ich beinahe alle Gefahren vergaß. Aufmerksam sah ich mich um. Eine breite Treppe endete hier. Nach oben überall geschlossene Decke, mattgoldene Metallplatten. Das konnte nicht stimmen.

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