V wie Verrat
einem Tablettenpäckchen zurück.
Nach zwei Pillen und gefühlten zehn Stunden fast komatösem Tiefschlaf wachte ich zwar mit einem Brummschädel, aber immerhin ohne den Presslufthammer auf. Es war immer noch stockdunkel. Erstaunt setzte ich mich auf und sah mich um. Es war einfach zu dunkel. Keine Sterne, keine Lichter, nichts. Als ich begriff, dass die Verdunklung heruntergelassen war und gerade nach dem Lichtschalter der kleinen Stehlampe tastete, hörte ich ein winziges Geräusch am Fenster. Schlagartig floss Eiswasser durch meine Adern.
Das Penthouse war durch den ersten Überfall sowieso immer leicht traumatisch für mich und der heutige Tag hatte meine Nerven den Rest gegeben.
Hat Raphael nicht gesagt, ich bin hier sicher?
Mitten in meine hektischen Überlegungen, wie ich am schnellsten an das versteckte Silbermesser in der Küchenschublade käme, flammte die Deckenbeleuchtung auf und ein sichtlich verlegener Andrew grinste mich schief an.
»Mac!!! Was machst du hier? Bist du bescheuert?«
Wäre ich nicht so erschrocken, hätte ich über seinen Gesichtsausdruck laut gelacht. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der beim Bonbon klauen erwischt worden war.
»Ich … äh … wollte nur … damit du … «
Wie immer schaffte es nicht, ihm wirklich böse zu sein, zumal sein hilfloses Gestotter einfach rührend war.
»Ach verdammt! Anna! Ich kann dich doch hier nicht ganz alleine lassen.«
»Schon gut. Du hast mich eben erschreckt. Aber es ist trotzdem lieb von dir. Wie sieht's aus? Bekomme ich einen Kaffee?«
»Was immer Mylady wünschen.«
Er strahlte mich erleichtert an und ging in der Küche. Ich ließ mich gähnend wieder aufs Sofa fallen.
Während Andrew mit dem Rücken zu mir an der Espressomaschine hantierte, sagte er leise: »Anna, das ist keine gute Idee.«
Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch.
»Was? Der Espresso?«
»Du weißt genau, was ich meine. Das ist viel zu gefährlich. Ich werde dich nicht alleine gehen lassen.«
»Andrew. Wovon redest du?«
Er kam aus der Küche und reichte mir die Kaffeetasse. Ich sah ihn immer noch fragend an, doch er schüttelte den Kopf.
»Vielleicht irre ich mich ja. Es wird in wenigen Minuten hell. Da du mich sicher nicht den ganzen Tag am Hals haben willst, muss ich los.«
Empört holte ich Luft, um ihm zu widersprechen, da lachte er laut.
»Hey! Nur Spaß! Ich weiß doch, dass du ohne mich gar nicht sein kannst.«
In der darauf folgenden Stille sahen wir uns sekundenlang in die Augen. Ich schluckte hart, doch bevor ich die Chance hatte, etwas Unüberlegtes zu sagen, drückte er lächelnd auf den Schalter der Rollos und verschwand einfach. Fassungslos starrte ich auf die leere Stelle und auf den dahinter sichtbar werdenden blutroten Sonnenaufgang, der mich trotz seiner Schönheit wie eine Ohrfeige wieder in die Realität zurückbrachte.Ich trat ganz dicht an die große Panoramascheibe. Tief unter mir war die Stadt erwacht. Da ich tagsüber noch nie hier war, kannte die Aussicht nur nachtfunkelnd und mystisch. Doch an diesem leicht diesigen Oktobermorgen war sie nicht minder beeindruckend und zog mich minutenlang in ihren Bann. Die Fenster der umliegenden Häuser blitzten im Sonnenlicht auf und in den Straßen schob sich ein Strom von Miniaturautos Richtung Zentrum.Abwesend beobachtet ich das stumme Gewusel. In meinem Kopf formte sich ein Gedanke, der mich selbst ein wenig erschreckte, den ich aber nicht mehr los wurde.
Schließlich kippte ich entschlossen meinen Espresso herunter, löste mich von dem hypnotischen Anblick und rief Toni an. Zuerst weigerte er sich vehement, dann hörte er mir endlich zu und schließlich willigte er ein.
Während das Koffein langsam seine Wirkung tat, telefonierte ich noch mit dem Flughafen und nahm dann eine lange, heiße Dusche.
Ich kam gerade im Bademantel zurück ins Zimmer, frottierte mir das nasse Haar, als der Fahrstuhl sich ankündigte. Obwohl ich wusste, dass nur wenige Ausgewählte auf diesem Weg hier herein konnten, hatte ich einen Kloß im Hals, als sich die Tür mit einem sanften Pling öffnete. Es war Toni. Wie erwartet. Erleichtert ging ich ihm entgegen, aber er war alles andere als erfreut.
»Andrew bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich dir helfe. Du solltest das wirklich nicht tun.«
»Ich weiß. Aber ich muss. Keine Angst, ich werde dich nicht verraten.«
Er schnaubte leise.
»Als ob er es nicht herausfindet. Egal. Ich werd es überleben. Hoffentlich.«
Grinsend küsste ich ihn auf die
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