V wie Verrat
ein. Ich schnupperte. Es roch verbrannt. Nach Rauch. Der Russe stürmte los. Und ich hinterher.
Feuer?
Feuer!
Viktor!
Panisch spurtete ich los und holte Darius ein. Wir kamen gleichzeitig am Steg an und blieben beide voller Entsetzen stehen.
»Viktor!!!«
Ich schrie aus tiefster Seele auf. Stürzte auf das verkohlte, rauchende Etwas los, das einmal unser Hausboot gewesen war. Darius schnappte mich gerade noch am Handgelenk und riss mich zurück.
»Nicht. Das ist zu gefährlich. Es sinkt schon.«
Verzweifelt versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, brüllte ihn an: »Wenn er noch da drin ist. Ich muss da rein. Viktor!«
Seine Finger waren aus Stahl, keine Chance.
»Anna! Seien Sie doch vernünftig. Ich hole Hilfe.«
Er zog mich ganz vom Steg herunter, der schon bedrohlich knackte, und hatte schon das Handy am Ohr.
Ich sank in die Knie, starrte wie hypnotisiert auf die schwelende Ruine auf dem Wasser. Mein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen und ich bekam keine Luft mehr.
»Bitte nicht. Bitte nicht. Bitte lieber Gott! Bitte nicht.«
Darius lockerte seinen Griff und sah mich hilflos an.
Andrew, Toni und Raphael erschienen, nur wenige Meter von uns entfernt. Während die beiden anderen sofort auf das Boot stürzten, war Andrew mit einem Satz bei mir. Er packte mich an den Schultern, zwang meinen Kopf und damit meinen Blick in seine Richtung und redete eindringlich auf mich ein: »Anna. Sieh mich an. Er war nicht da. Ich weiß es. Ich würde es fühlen. Er war nicht da. Verstehst du mich? Anna?«
Der Sinn seiner Worte kam nur langsam in meinem Hirn an. Er wiederholte es wieder und wieder. Und endlich begriff ich.
»Bist du sicher?«
»Ich bin mehr als sicher. Ich WEISS es. Bitte, glaub mir.«
Die Erleichterung war so groß, dass ich laut schluchzend an seine Brust sank und mich an ihn klammerte. Er hielt mich fest, streichelte mir übers Haar und flüsterte: »Ist ja gut. Alles ok. Beruhige dich. Alles gut. Er lebt.«
Toni streckte den Kopf aus der Tür und rief: »Hier ist niemand.«
Angewidert verzog er das Gesicht und kam wieder an Land.
»Das stinkt erbärmlich. Auf dem Boot war keiner. Kein Mensch und kein Vampir. Soviel ist sicher. Raphael will sich trotzdem noch genauer umsehen. Scheußlich da drinnen«
Sich affektiert Aschespuren vom Ärmel klopfend, musterte er mich und schüttelte tadelnd den Kopf.
»Er war doch gar nicht hier Anna. Du kannst wieder aufhören zu weinen. Dein ganzes Make-up verläuft ja schon.«
Darauf folgte ein schiefes, clownhaftes Grinsen. Obwohl ich immer noch unter Schock stand und mir gar nicht danach war, musste ich lachen.
»Toni, du bist unmöglich.«
Er zog die Schultern hoch und sagte: »Kann schon sein, aber es wirkt.«
Die beißenden Rauchschwaden rochen ekelerregend nach verschmortem Kunststoff und ich begann zu husten, konnte nicht mehr aufhören. Andrew zögerte nicht lange, hob mich hoch und trug mich Richtung Auto zurück. Ohne Gegenwehr legte ich ihm die Arme um den Hals und den Kopf an seine Schulter. Seine Aura aus purer, entschlossener Kraft und weicher, mitfühlender Sanftheit hüllte mich ein wie eine schützende Decke. Am Wagen angekommen, schob er sich auf den Rücksitz, entließ mich erst dort aus seiner Umarmung und sah mich kritisch an. Statt einer Antwort küsste ich ihn auf die Wange. Er strahlte.
Wenn jemand strahlen konnte, dann Andrew. Als hätte man ein Licht in seinem Inneren angezündet, das aus allen seinen Poren schimmerte. Seine Augen ließen selbst in der schwachen Innenbeleuchtung der Limousine jeden Postkartenhimmel blass und trüb wirken. Alles an ihm leuchtete, selbst seine unzähmbaren Locken flossen über seine Schultern, als wären sie flüssiges Gold. Wie so oft, wenn ich ihn anschaute, stieg ein Lächeln aus meinem Bauch nach oben, das ich nicht aufhalten konnte.
Er sah mich lange unverwandt an. Seine Augen wanderten über mein Gesicht, wurden immer nachdenklicher. Fast schüchtern hob er die Hand, zögerte einen Augenblick, strich mir behutsam über die Wange und öffnete den Mund.
»Mylady ...«
Es klopfte an der Scheibe.
Die drei Männer standen vor dem Wagen. Andrew nahm hastig seine Hand weg und wich ein Stück zurück. Er räusperte sich, straffte die Schultern und öffnete die Tür.
Ups. Wie lange stehen sie wohl schon da?
Raphael ließ sich jedenfalls nichts anmerken. Er ging vor der offenen Tür in die Hocke und berichtete: »Es war Brandstiftung, das ist sicher. Da hat jemand kräftig
Weitere Kostenlose Bücher