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V wie Viktor

V wie Viktor

Titel: V wie Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Schwarz
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Immer noch waren so viele Fragen offen, die ich ihm hatte stellen wollen, aber wenn ich in seine Augen sah, war mein Kopf wie leer gefegt.
    »Du denkst zu viel Engel.«
    Ich drehte mich um, er lächelte mich an.
    »Und du brauchst vor Sasha keine Angst mehr zu haben. Sie wird dich nicht mehr belästigen, das versprech ich dir.«
    »Das ist ja nicht das Einzige. Es ist noch so vieles … Ich weiß immer noch fast nichts über dich. Und deine … Art.«
    Er stand auf, kam zu mir, nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mir ernst in die Augen.
    »Gut. Hör zu. Es gibt zwei Möglichkeiten. Wir können es uns wieder bequem machen und ich werde alle deine Fragen beantworten. Was immer es ist. Das wird sicher die ganze Nacht dauern. Oder … »
    »Was Viktor? Oder was?«
    »Oder ich zeige dir das alles auf einem anderen und schnelleren Weg. Genauso, wie ich deine Gedanken lesen kann, kann ich meine mit dir teilen, wenn ich es will. Dazu bedarf es nur einer ganz kleinen Krücke, eine Art Katalysator. Du musst einen Tropfen meines Blutes trinken.«
    Er spürte, wie ich zusammenzuckte.
    »Hab keine Angst, es ist vollkommen ungefährlich. Dir kann nichts passieren. Oder denkst du, ich würde es sonst tun?«
    Sein Blick war so voller Zärtlichkeit, dass ich keine Sekunde daran zweifelte.
    »Aber werde ich dann nicht wie du?«
    Er lächelte nachsichtig.
    »Nein. Dazu reicht ein Tropfen nicht aus. Es kann sein, dass dir ein wenig schwindelig wird, aber das ist auch schon das Schlimmste. Ich bin bei dir, die ganze Zeit.«
    »Ok«, ich atmete tief durch, »worauf warten wir dann?«
    Wir setzten uns wieder aufs Sofa, mein Herz schlug mir bis zum Hals. Wie sollte das nun alles vor sich gehen? Müsste ich ihn etwa beißen? Er hatte meinen verwirrten Blick bemerkt, schüttelte nur leicht den Kopf.
    »Lehn dich zurück, mach es dir bequem, es kann ein paar Minuten dauern.«
    Meine Anspannung wuchs. Er hob eine Hand und öffnete den Mund. Ich konnte einen erschrockenen Laut nicht zurückhalten, als ich sah, wie sich seine Eckzähne auf das Doppelte verlängerten. Ich hatte vorher nie bemerkt, wie spitz sie waren. Ohne das kleinste Zögern biss er sich in den Finger und wandte sich mir zu. Seine Augen leuchteten in einem so hellen, strahlendem Blau, dem ich nicht hätte standhalten können. Mein Blick hing aber sowieso gefesselt an dem dunkelroten Tropfen auf seiner Fingerkuppe. Jetzt hatte ich doch Zweifel. Sanft hob er mein Kinn mit der anderen Hand an.
    »Vertrau mir. Schließ die Augen.«
    Ich spürte seinen Finger auf meinem Mund, er strich mir über die Lippen und sofort breitete sich ein warmes Kribbeln darauf aus. Vollkommen automatisch leckte ich es auf und das Kribbeln wanderte weiter, über meine Zunge, meinen Gaumen, die Kehle hinunter. Als hätte ich etwas Hochprozentiges getrunken, wurde es zuerst in meinem Magen immer wärmer, dehnte sich dann auf den ganzen Körper aus.Aber es war ein angenehmes Gefühl, wie eine watteweiche Decke, die mich einhüllte und von der Außenwelt abschirmte. Gleichzeitig legten sich seine starken Arme von hinten um meine Schultern, er zog mich an sich und hielt mich beschützend fest.
    Ich begann schon zu zweifeln, ob es funktionieren würde, als unvermittelt Bilderfetzen durch meinen Kopf schossen. Zuerst nicht fassbar, wie ein unglaublich schnell abgespielter Film, bei dem das menschliche Auge nicht mehr jedes einzelne Bild erfassen kann, dann wurde es deutlicher. Immer noch in rasender Geschwindigkeit, aber unser Gehirn ist eine erstaunliche Hochleistungsmaschine, die sehr wohl in der Lage ist, eine solche Informationsflut zu erfassen und zu verarbeiten. Trotzdem musste ich wohl leise gestöhnt haben, denn seine Stimme drang durch die Watte und flüsterte leise an meinem Ohr: »Entspann dich, lass es zu.«
    Und plötzlich sah ich durch seine Augen …
    … ich liege auf einer Wiese im Sonnenschein, meine Katja im Arm — mein Herz will fast zerspringen vor Glück, wenn ich ihr unbeschwertes Lachen höre …
    … ich beobachte sehnsüchtig den allerersten, zarten Schein des nahenden Sonnenaufgangs am Horizont, vor dem ich gleich fliehen muss — was bin ich? was ist aus mir geworden? ein Monster, vor dem ich selbst Angst habe …
    … ER, unfassbar kalte, grausame Augen, ohne einen Funken Menschlichkeit — ER lacht mich aus, verspottet mich und doch kann ich nicht ohne IHN sein — ER hat mich bis jetzt genährt, aber jetzt verweigert ER sich …
    … Moskau — ich bin allein, ich irre

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