V wie Viktor
durch die Nacht — bin schwach vor Durst, weiß nicht was ich tun soll — halte mich von den Menschen fern — diese Stadt ist so groß, so fremd …
… Blut, überall Blut — die junge Frau hängt leblos wie eine Puppe in meinen Armen — ich habe zu viel getrunken, wusste nicht, wann ich aufhören muss — ich schreie meinen Abscheu vor mir selbst heraus — ich fliehe, vor IHM, vor mir, so weit weg ich kann …
… Venedig — diese Art der Fortbewegung macht Entfernungen bedeutungslos — mit einem einzigen Gedanken bin ich, wo immer ich sein will — ich liebe diese Stadt, bin immer noch allein, aber ich lerne — weiß nun, wann ich aufhören muss, um sie nicht zu töten, weiß, wie ich ihre Erinnerung an mich löschen kann …
… Paris — ein prächtiges, altes Haus, um mich herum der pure Luxus — es ist eine Art Versammlung, ich mittendrin, staune, lausche andächtig jedem Wort über UNS — es gibt viele von uns, ich bin nicht allein, ich habe sie gefunden, die anderen …
… Sasha — ein Stück russische Heimat, sie nimmt mich bei sich auf — nächtelange Gespräche, Geschichten, Erklärungen — sie gibt mir Halt, führt mich, ich bin ihr so dankbar …
… wir sind nackt, wälzen uns in ihren schwarzen Laken — die erste Frau, die ich wieder berühre — sie ist so wunderschön, aber mein Herz bleibt kalt — meiner Gier ist das egal, ich dringe in sie ein, nehme sie mir, lasse meinem Trieb freien Lauf, wie ein Tier, ihre Lustschreie stacheln mich nur noch mehr an …
… Streit, immer wieder Streit — Vorwürfe, Tränen, Drohungen, sie will mich besitzen, kontrollieren — ich kann und will das nicht mehr, verlasse sie, schleiche mich heimlich und feige davon …
… immer wieder dieser Name, Pierre — er ist das Monster, das ich beinahe geworden wäre — er bringt uns alle in Gefahr, jemand muss ihn stoppen …
… Generationen fliegen an mir vorbei — immer wieder muss ich mein zu Hause und meine Liebsten verlassen, den Ort und den Namen wechseln — manchmal ertrage ich es kaum, es tut unendlich weh, sie sterben zu sehen — Mac ist meine größte Stütze, mein Bruder …
… ich suche IHN — folge seinen Spuren über den ganzen Globus — mein Durst nach Rache ist größer als meine Angst vor IHM — ER ist um so vieles älter und stärker als ich, aber das schreckt mich nicht mehr, auch ich habe gelernt, kenne all meine Fähigkeiten …
… Berlin — es war ein leichtes, sich über die vielen Jahre ein Vermögen anzuhäufen — im neuen Jahrtausend kommt man mit Geld so schnell und leicht an Informationen — ER soll hier sein und ich werde ihn finden …
… Darius, mein treuer Begleiter, immer bei mir, so wie zuvor auch schon sein Vater, sein Großvater und dessen Vorfahren — er hat Sasha entdeckt, hier in Berlin — ist das ein Zufall? …
… unser erstes Treffen nach der langen Zeit — vorsichtig, zögernd, tastend, dann herzlich, liebevoll, wie eine verloren geglaubte und wiedergefundene Schwester …
… ihre Gedanken sind mir verschlossen, wie bei allen von uns — in ihren Augen finde ich manchmal einen seltsamen Ausdruck, den ich nicht deuten kann, der mich vorsichtig macht …
… Anna! — nach Ewigkeiten hat eine Frau mein Herz wieder zum Stolpern gebracht — ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so glücklich war …
… wir sind auf dem Hausboot — ich muss ihr die Wahrheit sagen — ich habe Angst, wirklich Höllenangst …
Tief Luft holend tauchte ich aus dieser Flut wieder auf, hatte Schwierigkeiten mich zu orientieren, bis ich Viktors Gegenwart fühlte. Er hielt mich immer noch in seinen Armen, küsste mich zärtlich aufs Haar. Wie viel Zeit wohl vergangen war?
Vollkommen erschöpft, wie nach einem Marathon, schlug ich mit Mühe die Augen auf. Die große Uhr an der Wand gegenüber zeigte kurz vor zwölf, es waren gerade mal ein paar Minuten vergangen. Viktors Finger massierten leicht meine Schläfen, kühl, beruhigend, brachten das Karussell in meinen Kopf langsam zum Stoppen.
Ich wandte mich zu ihm. Sein Mund legte sich fast andächtig auf den meinen und verschmolz mit ihm zu einem Kuss voller Süße und Inbrunst. Seine Lippen schmeckten nach mehr und mein aufgewühltes Ich klammerte sich an ihnen fest. Nach dieser irrwitzigen Kopf-Achterbahn wollte ich nicht denken, nur noch fühlen. Ihn fühlen. Jede Faser meines Körpers verlangte nach ihm.
»Nimm mich! Bitte! Liebe mich! Jetzt sofort!«
4.
Der Hausapparat klingelte,
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