V wie Viktor
Holzbank an den beiden Seitenwänden vollkommen leer. Keine Lampen an der Decke, kein Lichtschalter zu sehen. Es gab insgesamt drei kleine, völlig verdreckte Fenster, durch die ein schwacher Lichtschein fiel, in der Wand gegenüber der Tür. Sie lagen allerdings knapp unterhalb der hohen Decke.
Die Holzbänke!
Wir könnten sie aufeinanderstellen. Ich zerrte an einer von ihnen, aber sie war angeschraubt! Verdammt! Frustriert trat ich mit voller Wucht dagegen, sie rührte sich keinen Millimeter. Glühender Schmerz schoss mir das ganze Bein nach oben. Ich sackte auf der Bank zusammen und ließ meinen Tränen nun freien Lauf. Jetzt war es an Lin mich zu trösten. Sie setzte sich neben mich und wir hielten uns aneinander fest. Nach einer Weile versiegten meine Tränen.
»Oh Gott Anna. Was machen wir denn nun?«
Ich hatte eine Idee, aber das konnte ich ihr nicht erklären. Noch nicht.
Bitte lieber Gott, lass es funktionieren.
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich so stark es ging auf Viktor.
Hilfe! Viktor! Liebster! Hilf mir!
Keine Ahnung, ob das klappen konnte, aber ich musste es versuchen. Nach einigen weiteren Hilferufen fiel plötzlich ein Sonnenstrahl auf meine geschlossenen Lider.
Oh nein!
Es war viel mehr Zeit vergangen, als ich gedacht hatte. Bei Tageslicht hatte das wahrscheinlich keinen Sinn. Selbst, wenn er mich hören konnte — was ich nicht wusste, wie sollte er hierher kommen? Lin hatte sich mit dem Kopf auf meinem Schoß hingelegt und war beim Weinen eingeschlafen. Ihr Gesicht war mir zugewandt, ihre Arme umklammerten fest meine Taille.
Die Tränen hatten eine schwarze Mascara-Spur auf ihren Wangen hinterlassen und ihre Augen zuckten unruhig im Schlaf.
Gütiger Himmel, in was waren wir da nur reingeraten?
Da ich sie nicht wecken wollte, blieb ich regungslos sitzen, lehnte den Kopf an die Wand und fühlte unvermittelt die Panik wieder aufsteigen.
Nicht! Tief durchatmen. Bleib ruhig.
Wir hatten sowieso keine Wahl, als abzuwarten. In dem dünnen T-Shirt fröstelnd, zog ich sie noch näher an mich, schloss die Augen und sank in einen leichten Dämmerschlaf.
8.
Die Tür flog auf. Stieß laut scheppernd an der Wand an. Lin und ich schreckten hoch, sie schrie leise auf. Im grellen Gegenlicht konnte ich die Gestalt einer Frau ausmachen. Sie blieb in der offenen Tür stehen, wieder hörte ich diese kalte, emotionslose Stimme.
"Aufstehen! An die Wand mit euch! Wenn sich eine von euch rührt …"
Sie hob kurz die Waffe, die sie in der Hand hatte. Lin begann zu zittern und klammerte sich an mich. Ich schob sie sachte von meinen Beinen und zog sie mit mir nach oben.
"Komm Liebes, wir tun lieber, was sie sagt."
Obwohl ich nur geflüstert hatte, kam die Quittung sofort.
"Maul halten! Und ein bisschen Tempo!"
Während wir uns an die gegenüberliegende Wand stellten, schob sich eine zweite Gestalt an ihr vorbei, stellte eine Kiste neben der Tür ab und verschwand sofort wieder. Beide trugen Ski-Masken über den Köpfen, sodass ihre Gesichter nicht zu sehen waren. Ich schöpfte wieder ein wenig Hoffnung. Wenn sie sich weiter vor uns verbargen, bestand immer noch eine Chance hier lebend rauszukommen, zumindest in Hollywood war das immer so.
»Hör endlich auf zu flennen!«, schnauzte sie Lin an, »ihr habt wirklich Glück, dass er noch Pläne mit euch hat. Wenn es nach mir ginge …«
Wieder sprach sie den Satz nicht zu Ende.
Er? Wer er? Was verdammt nochmal ging hier vor?
Sie stand immer noch in der Tür, ihre Haltung strahlte Anspannung und Gewalt aus, als ob sie noch darüber nachdachte. Mein Mund war plötzlich ganz trocken.
Bitte! Geh! Bitte!!!
Lins Griff wurde immer fester, meine Finger waren schon taub. Ich versuchte mich möglichst sanft zu befreien, aber sie ließ nicht locker. Unsere Kidnapperin deutet auf die Kiste.
»Teilt es euch gut ein, mehr bekommt ihr nicht.«
Sie schnaubte verächtlich, drehte sich um und schlug die Tür hinter sich zu. Der Hall dröhnte laut durch den leeren, großen Raum. Wir wagten nicht zu atmen und blieben minutenlang regungslos an der Wand stehen, bis wir sicher waren, dass sie nicht wiederkam.
»Komm Liebes, wir schauen mal nach, was da drin ist. Lin! Sie ist weg! Du kannst mich loslassen.«
Es war eine Holzkiste und sie roch irgendwie muffig, aber die Neugier war größer. Also öffnete ich sie vorsichtig, um erleichtert aufzuatmen. Darin lagen mehrere große Plastik-Wasserflaschen und eingeschweißte Sandwiches. Daneben stand ein Behälter,
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