V wie Viktor
blinzelte ein paar Mal schnell hintereinander. Das war für Raphael wohl das Zeichen sie loszulassen, auch mental. Er richtete sich langsam auf und blieb abwartend vor ihr stehen. Sie runzelte die Stirn, wirkte desorientiert, als sie sich im Zimmer umsah. Beim Versuch aufzustehen, bemerkte sie ihre Fesseln und zerrte einen Moment daran. Plötzlich weiteten sich ihre Augen, füllten sich mit Tränen und sie sank gegen die Lehne zurück.
»Oh mein Gott … was hab ich getan … oh Gott, nein …«
Sie begann zu schluchzen. Raphael drehte sich um, nickte Viktor zu. Er bemerkte meinen fragenden Gesichtsausdruck und erklärte: »Ich konnte Pierres Bann lösen. Sie ist wieder frei und wieder sie selbst. Aber — leider konnte sie ihm vorher noch eine Nachricht schicken. Er weiß also alles. Damit hat sie uns den Überraschungsmoment genommen. Schade.«
»Den Überraschungsmoment? Wofür?«
Ich verstand immer noch nicht.
Viktor setzte fort: »Wir wissen jetzt, wo er sich versteckt hält.«
Meine Hände wurden eiskalt.
Was habt ihr vor?
Sasha, die sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, stand auf und klatschte laut.
»Na dann los! Ich kann es nicht abwarten, dem Hurensohn das Herz rauszureißen.«
Viktor sah mich immer noch forschend an, als müsse er sich meiner Sorge um ihn vergewissern, als wagte er nicht, es zu glauben. Das war nicht mehr zu ertragen, ich stürzte nach vorne, in seine Arme. Mit einem Seufzer der Erleichterung presste er mich an sich und küsste mich zärtlich.
»Hab keine Angst Engel. Aber das muss endlich ein Ende haben und das hier ist die beste Chance, die wir je hatten. Raphael bleibt bei euch und beschützt euch.«
Ich schüttelte heftig den Kopf, aber er ließ mich nicht sprechen.
»Es muss sein. Ich verspreche dir, ich bin bald wieder bei dir.«
Jetzt waren nicht nur meine Hände kalt, ich zitterte am ganzen Körper. Doch ich wusste, dass es sinnlos war, ihm widersprechen zu wollen, er würde sich nicht umstimmen lassen. Sasha lief schon unruhig auf und ab, während Lin und Andrew sich wortlos gegenüberstanden.
»Wir verlieren nur Zeit! Viktor! Andrew! Verdammt nochmal, kommt endlich.«
Da meldete sich Johanna wieder, immer noch schluchzend, sie war kaum zu verstehen.
»Ihr müsst nicht zu ihm gehen. Er ist …«
Die Tür zerbarst in tausend Stücke!
Schreiend wichen Lin und ich zurück. Darius ließ sein Glas fallen. Sasha fuhr fauchend herum. Die Männer sprangen nach vorne, schoben uns hinter ihre Rücken. Ihre Zähne fuhren sofort voll aus und verzerrten ihre Gesichter ins raubtierhafte.
»Bon soir. Wie wunderbar! Eine Party! Hätte ich das gewusst, hätte ich mich angemessener gekleidet.«
Er stand vollkommen gelassen im zerstörten Türrahmen und lächelte uns an. Es war nicht zu glauben. Sasha schoss mit ausgestreckten Krallen auf ihn los, aber er wischte sie mit einer Handbewegung zur Seite. Sie prallte hart gegen die Wand und fiel stöhnend zu Boden. Diese Stärke war erschreckend.
»Chérie, du tust dir doch nur weh. Du solltest es wirklich besser wissen.«
Sein leises Lachen klang zynisch. Viktor und Andrew machten gleichzeitig einen Schritt nach vorne, während Raphael uns Frauen zurückzog und uns bedeutete, hinter ihm zu bleiben.
Aus dem Nichts tauchten hinter Pierre die beiden Vampire aus dem Wald auf. Nun waren es drei gegen drei, denn auch Sasha hatte sich wieder aufgerappelt.
Wie zwei feindliche Rudel Wölfe belauerten sie sich und jeder wartet auf den ersten Schritt des Gegners. Immer noch strahlte Pierre eine mir unverständliche Ruhe und Selbstsicherheit aus, auch das Lächeln war nicht von seinen Lippen gewichen.
»Wollen wir uns nicht wie zivilisierte Wesen ein wenig unterhalten?«
Andrew schnaubte empört und ballte die Fäuste.
»Als ob du wüsstest, was das ist. Ausgerechnet du! Du bist ein Monster Pierre!«
Und ein drittes Mal ergriff überraschend Johanna das Wort.
»Sein Name ist nicht Pierre. Aber die Franzosen können seinen Namen …«
Er machte eine kleine Handbewegung, ihr Kopf verdrehte sich unnatürlich und sie verstummte. Ein lautes Knacken war zu hören und ihre Augen wurden blind. Er hatte ihr das Genick gebrochen, einfach so, mit einem Fingerschnippen. Ich war vor Entsetzen gelähmt.
»Das ist nicht ganz richtig. Den Namen haben mir nicht die Franzosen gegeben, sondern meine geliebte Schwester Katja. Sie hat immer davon geträumt einmal in ihrem Leben Paris zu sehen, deshalb hat sie mich umgetauft, von Pjotr in
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