V wie Viktor
Pierre.«
Er wandte sich direkt an Viktor.
»Und wärst du nicht gewesen, hätte sich ihr Traum vielleicht erfüllt, denn dann hätte sie lang genug dafür gelebt. Aber wegen DIR ist sie mit 18 gestorben.
Viktor hatte sich aufgerichtet und starrte ihn fassungslos an.
»Katja? Ist deine Schwester?«
Pierre fauchte: »Sie WAR meine Schwester. Bevor du sie umgebracht hast. Du hast sie liegen lassen wie ein Stück Vieh! Ich habe sie erst am nächsten Abend gefunden. Bleich und kalt. Ausgeblutet."
Seine Augen schillerten in allen Regenbogenfarben. Viktor war zur Salzsäule erstarrt.
»Während ich sie immer noch weinend in den Armen hielt, kam er zurück. Er hat mir alles erzählt. Und er versprach mir Rache für deine abscheuliche Tat. Aber das konnte ich nur, wenn ich so wurde wie du.«
Viktor schüttelte den Kopf.
»Was? Wovon redest du? Das ist Unsinn.«
»Schweig! DU bist das Monster. DU hast sie umgebracht! Leer gesaugt wie einen Weinschlauch.«
Er wurde immer lauter. Sasha und Andrew duckten sich wieder in Angriffsstellung. Viktor hingegen ließ die Arme sinken.
»Das ist nicht wahr. Er hat dich belogen! Benutzt! Wie er mich benutzt hat! Pjotr! Du musst mir glauben!«
»Wage es nicht, meinen Namen in deinen dreckigen Mund zu nehmen!«
Pierres Augen leuchtete so grellrot, dass ich den Blick abwenden musste. Viktor schrie ihn an.
»Pjotr! Ich hab sie nicht getötet. Das war ER! Ich habe sie geliebt!«
»Du elender Lügner! Mörder!«
Ansatzlos schoss er nach vorne, viel zu schnell für menschliche Sinne. Aber Sasha hatte es wohl vorausgeahnt und sich dazwischen geworfen. So traf sein weit aufgerissenes Maul nicht sein eigentliches Ziel, sondern ihre Kehle. Ihr markerschütternder Schrei hallte durch die Nacht und brach gurgelnd ab. Er ließ von ihr ab und sie sackte zusammen. Hellrotes Blut sprudelte aus ihrem Hals. Vergeblich versuchte sie, es mit der Hand aufzuhalten. Andrew stürzte sich wild knurrend auf Pierre. Sie bissen, fauchten, wirbelten in irrsinnigem Tempo umeinander. Viktor sank in die Knie, zog Sasha zu sich, presste seine Hand auf die riesige Wunde und schrie nach Raphael. Lin fiel neben mir in Ohnmacht, Darius konnte sie gerade noch auffangen. Das war zu viel für mein völlig überfordertes Gehirn. Es klinkte sich einfach aus. Ich hatte das Gefühl, neben mir zu stehen und das Ganze wie ein Reporter zu beobachten.
Die fremden Vampire lauerten noch am Eingang, ohne sich einzumischen. Raphael hatte sich neben Viktor gekniet und mit einem raschen Biss die Pulsader an seinem Handgelenk geöffnet. Das Blut lief in Strömen über Sashas Mund, aber es geschah nichts. Sie lag regungslos in Viktors Armen. Die Kämpfenden hatten sich wieder getrennt, Pierre war vor dem tollwütig rasenden Andrew zurückgewichen in den Schutz der beiden Männer. Er hatte mehrere tiefe Verletzungen und wirkte das erste Mal nicht mehr so gelassen und sicher.
Andrew war schon drauf und dran, sich wieder auf ihn zu stürzen, als Viktor einen unmenschlichen Laut ausstieß. Wir fuhren alle herum.
Er hatte die leblose Sasha an sich gezogen und heulte wie ein verwundetes Tier. Raphael saß vor ihnen auf dem Boden, seine eigene Wunde hatte sich schon wieder geschlossen. In der plötzlichen einsetzenden Stille waren seine geflüsterten Worte deutlich zu verstehen.
»Sie ist tot. Er hat ihr die Kehle rausgerissen. Sasha ist tot.«
Andrew brüllte ohrenbetäubend und wollte wieder auf Pierre losstürzen. Doch weder von ihm noch von seinen Bodyguards war eine Spur zu sehen. Sie hatten die wenigen Sekunden genutzt um zu fliehen. Der blutüberströmte Viktor wiegte die Tote in seinen Armen und heulte immer wieder laut auf. Der Schotte war gegen die Wand gesunken, sein Gesicht war durch tiefe Risse verunstaltet, aus der Schulter troff aus einer Bisswunde immer noch Blut. Raphael starrte fassungslos auf seine Hände und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Ich konnte nichts tun. Ich konnte nichts mehr tun.«
Es war ein Bild des Grauens.
Darius hatte die bewusstlose Lin aufs Sofa gelegt. Er hockte neben ihr, barg den Kopf in den Händen und schluchzte herzzerreißend. Ich stand inmitten dieses ganzen Horrorszenarios. Und ich fühlte — nichts.
Absolut nichts! Als ob jemand meine Emotionen mit einem Schalter ausgeknipst hätte. Ich war ganz ruhig und klar, vollkommen unbeteiligt.
Unbemerkt ging ich an den anderen vorbei nach draußen und lief los. Ohne zu wissen wohin, einfach geradeaus. Die Nacht war mild, für die
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