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v204640

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Titel: v204640 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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ich das eben tatsächlich erlebt? Ich? Als er zurückkam, klebte ich immer noch auf meinem ungemütlichen PVC-Sitz und hatte mich nicht gerührt. Diesmal setzte er sich neben mich, nahm meine Hand in seine und begann, zärtlich an meinen Fingern zu lutschen, mit der Zunge an ihnen zu spielen. Rasch zog ich sie zurück.
    »Genierst du dich immer noch? Lass mir doch deinen Geschmack, ich finde ihn wahnsinnig aufregend, weiblich, sinnlich. Er passt zu dir. Ich glaube, für heute habe ich dich genug schockiert, stimmt’s?«
    Mit einem leichten Seufzer ließ er meine Hand los und legte sie sanft auf die billige Tischplatte vor uns. Er strich noch einmal mit dem Zeigefinger über meinen Handrücken und fragte dann beiläufig:
    »Hast du nächsten Montag schon was vor?«

Kapitel 4:
Fischbein und Spitzen
    Vier Tage hatte ich hart mit mir selbst debattiert.
    Mein schwaches Kopfnicken in der Bücherei und die Einwilligung, Markus am Montagmorgen vor der Nikolauskirche zu treffen, lasteten schwer auf meinem Gewissen. Was tat ich da eigentlich? Mein Eheleben war weitgehend spannungsfrei und ereignislos. Eigentlich ganz angenehm. Die Verliebtheit – oder besser: die gegenseitige Fixierung – war einem friedlichen Nebeneinander gewichen. Unser Leben war aber keinesfalls derart langweilig, dass ich danach gestrebt hätte, den Kokon zu verlassen. Nur ein wenig über den Gartenzaun schielen …
    Die Frage, ob Rüdiger eine ähnliche Neugier verspürte, verkniff ich mir. Bei seinen zahlreichen Auslandsreisen hätte er schon reichlich Gelegenheit zum Fremdgehen gehabt. Manches Mal hatte ich mich schon gefragt, ob die Parfüms, die er mir gerne mitbrachte und die selten meinem Geschmack entsprachen, eventuelle Duftspuren nachträglich legalisieren sollten. Aber frei nach der Maxime: » Toleranz ist das Ertragen von unbequemen Eigenheiten , Takt nimmt sie gar nicht erst zur Kenntnis« hütete ich mich davor, Anzugtaschen auszuleeren oder Hemden dem Schnüffeltest zu unterziehen. Rüdigers gleich bleibend verlässliche Freundlichkeit war mir wertvoller als der exklusive Besitz seines Körpers.
    Als Beschäftigungstherapie hatte ich mich in jener Woche in einen ausufernden Hausputz gestürzt, der meine Familie zutiefst verstörte. Sie ist es nicht gewohnt, mich mit Eimer und Schrubber zu sehen, da ich diese Tätigkeiten sonst auf das absolute Minimum beschränke. Auf deutlich mehr Zustimmung stieß der Kirschkuchen, den ich backte. Rüdiger betrachtete mich liebevoll, aber mit einem leichten Anflug von Besorgnis:
    »Was ist los? Wir bekommen doch keinen Besuch. Willst du mit der Putzerei nicht warten, bis meine Eltern kommen?«
    Gut. Ich erklärte den Anfall für beendet und erfreute ihn stattdessen mit einem regen Interesse an seinen aktuellen Projekten, die einen Künstler namens Markus mit einschlossen.
    »Wollen wir ihn mal einladen?«
    O Gott, bloß das nicht.
    »So interessant war er auch wieder nicht. Der klassische Künstlertyp eben.«
    Der Sonntag zeigte wieder einen Hang zu heißem, mittelamerikanischem Klima. Das hieß im Klartext, Rüdiger und unser Kater schliefen den ganzen Nachmittag, die Kinder zankten sich abwechselnd um Telefon und Fernbedienung und ich wurde immer nervöser.
    Ich hatte mit mir einen Handel abgeschlossen: Würde Rüdiger heute mit mir schlafen, würde ich morgen nicht fahren, um Markus zu treffen. Ich hoffte, mein Mann nähme mich richtig hart, um die subtile Erotik auszulöschen, die meine Sinne beflügelte. Er sollte mich keuchend und erschöpft zurücklassen, ohne jeden Gedanken an weitere Spiele, denn Spiele waren es. Nicht mehr und nicht weniger. Doch meine Provokationsversuche liefen ins Leere. Wie immer. Rüdiger war sanft und lieb und trotz Orgasmus blieb ich so brennend zurück, dass ich die halbe Nacht wach lag und mich auf dem Satinlaken hin und her wälzte. Mein Körper verlangte nach Befriedigung, nach Berührungen, die ihn quälten – bis zur Grenze und vielleicht darüber hinaus.
    Am Montagmorgen war ich reif, überreif. Ich duschte so kalt, wie ich es ertrug, aber das Pochen zwischen meinen Beinen hielt mein Bewusstsein auf diese Stelle gerichtet, wie ein Wegweiser. Ich war mir meines geschwollenen Geschlechts nur zu deutlich bewusst. Jeder Schritt erinnerte mich daran. Ein versehentlicher Blick in den Spiegel brachte mich fast aus der Fassung. Was ich dort sah, war ein fremdes Ich. Schlafzimmerblick, zerzauste Haare und harte Nippel.
    Um Punkt neun stand ich vor der Nikolauskirche.

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