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v204640

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Titel: v204640 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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Wie von Markus verlangt, trug ich nur ein Kleid. Es war aus hellblauer, plissierter Viskose und schmiegte sich an jede Kurve meines Körpers. Keine Unterwäsche. Die verstohlenen Blicke der männlichen Passanten gaben mir eine Vorstellung von meiner Wirkung. Mein Aufzug war nahezu unanständig körperbetont. Die frische Morgenluft ließ meine Nippel noch frecher gegen den Stoff drängen. Deutlich sichtbar für jeden, der sehen wollte. Hoffentlich sah man von hinten nicht genauso deutlich meine Pospalte. Die hohen Absätze meiner Sandaletten ließen mir keine andere Wahl, als beim Gehen das Hinterteil aufreizend zu schwenken. Kurz bevor ich in die Kirche flüchtete, stand auf einmal Markus am Fuß der Treppe und ließ seinen anerkennenden Blick über meine Gestalt wandern. Er streckte mir eine Hand entgegen. Vorsichtig stakste ich die Treppe hinunter und ergriff sie. Er gab mir einen formvollendeten Handkuss. Dann drehte er sie um und presste seine Lippen auf die Innenseite meines Handgelenks, als müsse er sich zurückhalten, nicht zuzubeißen. Eine heiße Zungenspitze schlängelte sich in Mustern, voller Versprechungen. Mein Begleiter zog meinen Arm durch seinen und wir flanierten, Arm in Arm, ein Stück die Straße entlang. Gerade wollte ich fragen, wohin es gehen sollte, als mein Blick auf ein bekanntes Schaufenster fiel: Ars Amandi. Ich grub meine spitzen Absätze in den Boden.
    »Die haben zwar montags geschlossen«, erklärte Markus, »aber nur für Laufkundschaft. Stammkunden haben Zutritt. Wir sind ungestört. Hast du dir nicht immer schon gewünscht, dort einmal in aller Ruhe die Spielsachen auszuprobieren? Keine Angst, dich wird schon kein Bekannter sehen. Wir nehmen den Seiteneingang.«
    Ein herausforderndes Grinsen, ein schräger Blick unter schweren Lidern. Mein Widerstand schmolz in Windeseile. Und ob mich das reizte! Markus setzte sich wieder in Bewegung und geleitete mich durch einen versteckten Seiteneingang an die Lieferantentür. Ein diskretes Klopfen an der Glastür und fast augenblicklich ließ uns ein Mittdreißiger eintreten. Die beiden Männer umarmten sich.
    »Hallo, Mathias«, begrüßte ihn der Wolf. »Das ist eine Freundin. Du hast sie übrigens nie gesehen. Was hältst du von Amanda?«
    Der Schwarzgekleidete kicherte und schüttelte mir die Hand.
    »Schönen guten Morgen, Amanda. Was kann ich für euch tun? Nichts? Gut, dann lass ich dir den Schlüssel da, Markus. Viel Spaß, ihr beiden.«
    Und weg war er. An dem Tag, an dem ich die sündige schwarze Korsage erstanden hatte, war zum Glück eine Frau für den Verkauf zuständig gewesen. Sonst hätte ich mich wohl kaum getraut. Nicht, dass ich die geringsten Bedenken um meine Tugend gehabt hätte – auch dem unbedarftesten Zeitgenossen dürfte Mathias’ homosexuelle Ausrichtung, die zudem stadtbekannt war, nicht verborgen geblieben sein.
    Ich habe Probleme mit meiner spießigen und vor allem prüden Erziehung. Was kostete es mich als junges Mädchen für eine Überwindung, mit Tampons an der Kasse zu stehen! Es war wie Spießrutenlaufen. Noch heute wird mir manchmal bewusst, dass sich meine Schamgrenze zwar verschoben hat, ich aber dennoch mit einer gewissen Prüderie zu kämpfen habe. Wenigstens stellte mich der Raum, in dem die wunderschöne Unterwäsche präsentiert wurde, nicht auf die Probe. Schließlich bietet jedes Kaufhaus inzwischen Vergleichbares an.
    Die Dekoration des Schaufensters bot einen Querschnitt durch die Erotikträume der Nachkriegszeit: Original-Nahtstrümpfe mit eingestricktem Fußteil. An die Hüfthalter konnte ich mich noch dunkel erinnern. Der Werbespruch: »Mein Hüfthalter bringt mich um!« wurde oft und gerne von meiner fülligen Tante zitiert. Wieso, um Himmels willen, hatte man sie bloß in diesem schrecklichen Marzipanschweinchen-Rosa gehalten? Vergleichsweise attraktiv müssen damals die Halbkorsetts gewirkt haben.
    Eine Stellwand schirmte den Rest des Ausstellungsraums vor neugierigen Blicken von draußen ab. Das Angebot an aufregender Herrenunterwäsche ließ ich erst mal links liegen und wühlte mich durch den Ständer mit echten Korsetts. Die Palette reichte von Latex, das ich nur mit den Fingerspitzen anfasste, weil mir die Textur einfach widerwärtig ist, über Lack und handschuhweiches Leder bis zu Satin und hauchzarten Spitzen. Ich fühlte Markus’ Blick und drehte mich um.
    »Was hast du für eine Größe? 40 oder 42?«
    »Eher 42.«
    »Und Schuhgröße?«
    »38.«
    Er verschwand hinter einem

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