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v204640

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Titel: v204640 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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er mich ebenso professionell aufschnürte, wie er mich vorher zugeschnürt hatte. Der erste volle Atemzug ließ mich schwindelig nach Halt tasten. Markus griff nach meinem Arm und stützte mich.
    »Langsam. Dein Körper braucht ein paar Minuten, bis er sich vom Sauerstoffmangel erholt hat. Ich halte dich. Atme tief durch die Nase ein.«
    »Du hast gesagt, es würde mir nicht schaden.«
    Empört atmete ich ein paar Mal tief durch. Leises Lachen. Eine Wange schmiegte sich an meine Halsseite. Er half mir auf, führte mich zum Samthocker.
    »Es hat dir ja auch nicht geschadet, oder? Ich hatte eher den Eindruck, du mochtest es. Und du sahst atemberaubend aus.«
    Komplimente dieser Größenordnung bekommt man ja nun nicht alle Tage. Ich errötete angemessen und beeilte mich, wieder in mein Kleid zu schlüpfen. Ein versehentlicher Blick auf die Wanduhr erschreckte mich. Hatten wir wirklich so lange gespielt? Da es nur im Märchen vorkommt, dass Uhren schneller gehen können, mussten es tatsächlich fast zwei Stunden gewesen sein, die ich in einer Art Variation meines Ichs verbracht hatte. Wie beunruhigend. Mein Haupt-Ich schnurrte mir bereits seine Liste herunter: einkaufen, Kinder abfüttern, Gartenarbeiten. Hastig sprang ich auf.
    »Ich muss los!«
    Wieso lachte der Kerl nur so maßlos? Ich schaute an mir herunter, ob ich mein Kleid falsch herum angezogen hatte. Immer noch lachend zog er mich an sich und drückte mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange.
    »Darf ich dir ein Andenken an diesen wundervollen Vormittag mitgeben? Denk an mich, wenn du es benutzt.«
    In meine linke Hand glitt ein Kunststoffkasten. Die Fernbedienung von dem Ei in mir! Das hatte ich total vergessen. Knallrot vor Verlegenheit ließ ich sie in meine Handtasche fallen.
    »Lass es drin, bis du zu Hause bist. Aber fahr vorsichtig.«

Kapitel 5:
Russische Vernissage
    Die nächsten Tage blieb ich notgedrungen keusch. Es soll Frauen geben, die während ihrer Periode wild auf Sex sind. Darüber habe ich mich schon immer gewundert. Mir tut bloß alles weh – nicht so schlimm, dass man etwas dagegen einnehmen müsste, aber genug, um Lustgefühle weitgehend zu unterdrücken. Nach einigen Tagen wache ich morgens auf und die Lust ist wieder da, als sei sie nie weg gewesen.
    Diesmal war das Timing absolut geschickt. Zwei erschreckend öde Elternabende, die Johannisbeer-Ernte und -Einkocherei sowie ein Abendvortrag über Schutzbestimmungen im Arbeitsleben kamen in den Genuss meiner ungeteilten Aufmerksamkeit. Zwar drängten sich immer wieder Bilder von Markus, wie er mir am Tisch gegenübersaß und sich bearbeitete, zwischen meine Notizen, aber meine derzeitige Zwangspause erleichterte mir die Konzentration auf Sachfragen. So konnte ich alle Assoziationen, ohne irgendwelche freudsche Fehlleistungen zu produzieren, in den Hintergrund schieben. Das Thema Arbeitsrecht wird für mich unauslöschbar mit jenem Nachmittag in der Bücherei verbunden sein. Welche Ironie! »Wie schütze ich mich vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz? « Und die Referentin träumt genau davon …
    Der Sonntag fing an, wie es sich für einen Sonntag gehört. Der erste Blick aus den Augenwinkeln versprach Wetter der mediterranen Art. Ich rekelte mich ausgiebig im Bett. Gott sei Dank, ich war wieder fit. Rüdiger betrachtete mich erleichtert.
    »Fühlst du dich wieder besser? Ich dachte, wir könnten auf die Vernissage gehen.«
    »Von wem? Ich habe gar keine Einladung gesehen.«
    Normalerweise bekommen wir sie an unsere Adresse und ich sortiere aus, welche mich interessieren. Mein Mann zeigte Anzeichen leichter Verlegenheit.
    »Naja, es ist keine richtige Vernissage. Wassilij hat Besuch aus Russland und du kennst das ja. Er möchte so eine Art Atelierfete veranstalten. Tagsüber.«
    Ich kannte Wassilij nicht direkt, aber seine gesellschaftlichen Gewohnheiten hatten schon manchem Lokalreporter das langweilige Wochenende aufgepeppt. Ob das auf dessen reichlichen Wodkakonsum zurückzuführen war? Die braven Spießer, in deren Mitte er sich mit Frechheit und mehr als einer Spur Rücksichtslosigkeit behauptete, litten schwer unter seiner Spielart von Öffentlichkeitsarbeit.
    Niemals vergessen würden sie seine künstlerische Bearbeitung der griechischen Mythologie: Hierbei hatten diverse, nahezu unbekleidete Musen verzweifelt versucht, einen Schwan und einen Jungstier zu einer Art Kopulation zu bewegen. Der Schwan hatte der bedauernswerten Leda fast den Arm gebrochen, als er sich

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