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Ich schluckte und beugte mich in vorgetäuschter Konzentration über das Rückgrat der ausgezeichneten Seeforelle auf meinem Teller. Bisher hatte sich meine Begeisterung über das für alle bestellte Fischgericht stark in Grenzen gehalten und ich hatte in Gedanken einige bissige Bemerkungen an den Urheber gerichtet. So geschickt kann man überhaupt nicht sein, um nicht doch die eine oder andere Gräte zu übersehen. Anstandshalber nimmt man Abstand von dem Reflex, das piksige Relikt so lange mit der Zunge herumzuschieben, bis man es zwischen zwei Fingerspitzen greifen kann. Stattdessen stopft man Kartoffel oder Salat nach, hofft auf die umhüllende Schutzwirkung und schluckt schließlich heroisch den gesamten Batzen herunter. Diese Unannehmlichkeiten können gesteigert werden durch den jeweiligen Nebenmann, in meinem Fall durch eine Nebenfrau. Als Frau des Gastgebers war an mir der »Schrecken der Kulturschaffenden« hängen geblieben. Die Gattin des Herrn Kreisrats, eine gutbürgerliche Berufsstudentin, liebte den anregenden Umgang mit jungen Künstlern. Kein Wunder, wenn man den Herrn Gemahl näher betrachtete …
Schamlos sämtliche vorhandenen Beziehungen ausnutzend, hatte sie es geschafft, sich in der Mehrzahl der tonangebenden Gremien zu etablieren. Keine Feier ohne Meier! Da ich weder männlichen Geschlechts noch künstlerisch tätig war, hatte sie mich den halben Salat hindurch ignoriert. Was mir Gelegenheit gab, dem faszinierenden Gespräch schräg gegenüber zu folgen. Ungläubig und direkt mitleidig lauschte ich den aktuellen Sorgen und Nöten eines Erfolg versprechenden Jungkünstlers.
»Die nächsten Jahre werde ich vollauf damit beschäftigt sein, mein Boot zu malen.«
»Ist denn das auf Dauer künstlerisch befriedigend, immer dasselbe Motiv?«
»Was heißt hier befriedigend? Glaubst du, ich mache so einen Scheiß wie die Russen, die immer nur Impressionisten kopieren? Wenn ich später eine Retrospektiv-Ausstellung möchte, muss ich mindestens zweihundert Bilder verkauft haben. Davon fünfzig in die Ausstellung – das ist das Mindeste. Die kleinen Bilder habe ich früher einzeln verkauft. Das mach ich nicht mehr. Nur noch Gruppen ab fünfhundert Euro. Sonst wird das ja alles zerfleddert. Das kriegt man nie wieder zusammen.«
»Und klappt das so, finanziell?«
»Am Anfang war es ein bisschen schwierig, aber jetzt gehen sie ganz gut, vor allem in die Schweiz.«
Leider fand meine Nebenfrau doch noch eine Verwendung für mich. Meinem – ihrer Einschätzung nach – geistigen Niveau entsprechend, beglückte sie mich mit Schilderungen ihres letzten Urlaubs. Für jemand derart Kunstbeflissenen legte sie erstaunlich großes Gewicht auf Zimmerausstattung und Anzahl vorhandener Liegestühle. Die Fischgerichte auf Zypern waren selbstverständlich mit den hiesigen nicht zu vergleichen und die Preise …
Trotz der Routine, die sie im Urlaub gewonnen hatte, verstummte sie schließlich und widmete sich verbissen der Aufgabe des Sezierens. Daraufhin blieben mir wenigstens die, in regelmäßigen Abständen notwendigen, Urlaute des aktiven Zuhörens erspart. Und nun das!
So etwas passiert einem vielleicht im Film – aber doch nicht in Wirklichkeit. Plötzlich war ich erleichtert, einen Vorwand oder besser eine Galgenfrist vor mir liegen zu haben. Der Fisch glotzte aus seinem weißen Auge an mir vorbei und ich glotzte vermutlich genauso ratlos. Vorsichtig zog ich mein rechtes Bein eine Spur von dem beharrlichen Knie weg. Nicht so weit, dass es als Zurückweisung anzusehen war – nur als Test. Tatsächlich, das Knie hielt seinen zarten Druck aufrecht. Zusätzlich nahm ein Fuß Kontakt zu meinem auf. Ich zählte bis drei, holte tief Luft und schaute dann zögernd, aber entschlossen nach rechts oben. Sein schiefes, träges Lächeln war unverhohlen unanständig. Nicht nur der Mund lächelte – ein sinnliches Lächeln, das weiße Eckzähne aufblitzen ließ. Auch die grauen Augen, die bei der Vorstellung vorhin absolut nichts sagend durch mich hindurchgesehen hatten, brannten sich geradezu in meinen verwirrten Blick. Ich vergaß mein unverbindliches Gesellschaftslächeln. Das Silber der Iris verschmälerte sich ringförmig um die schwarzen Pupillen. Dunkle Linsen, in denen ich mich spiegelte. Die Lider senkten sich schwer und beschatteten mit dichten Wimpern den unverhohlenen Schlafzimmerblick. Netterweise beendete mein Nebensitzer die hypnotische Kontaktaufnahme, bevor die anderen mein ungewöhnliches Benehmen
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