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bemerkten. Sein bedächtiger Blick glitt über meinen Mund, den Hals hinunter und blieb schließlich an der Dekolletéspitze zwischen meinen Brüsten hängen. Ich spürte ihn so deutlich, als hätte er einen Finger dorthin gelegt. Meine Brustwarzen stellten sich auf, drückten sich gegen die schwarze Spitze meiner Korsage, die ich in einem Anflug von Leichtsinn bei Ars Amandi erstanden hatte. Unbewusst hob ich meine Hände, um die Nippel mit der Handfläche zu massieren, wie ich es zu Hause tue, wenn sie so unerträglich prickeln. Ein Mundwinkel zuckte sardonisch.
»Fisch rächt sich auf seine Weise. Trinken Sie ordentlich nach!«
Mein Gott, was hätte ich eben um ein Haar für ein Schauspiel geboten! Zutiefst dankbar für das Kerzenlicht, das die aufsteigende Röte an Hals und Wangen – hoffentlich – verbergen würde, riss ich mich zusammen. Woher hatte er gewusst, was in mir vorging? Verlegen nahm ich einen kräftigen Schluck von dem ausgezeichneten Kerner. Zu kräftig, denn fast hätte ich mich auch noch verschluckt. Sei nicht albern, ermahnte ich mich, das war schlicht und einfach Zufall. Niemand hat etwas von der kleinen Episode am Rande mitbekommen. Also benimm dich gefälligst, als sei nichts gewesen.
Gegenüber demonstrierte der junge Künstler temperamentvoll mit dem Fischmesser seinen Pinselduktus. Meine Nachbarin kaute langsam, wobei sie ihn berechnend beobachtete.
Worüber wurde weiter oben gesprochen? Aha, die neue Ausstellung im Landesmuseum. Rüdiger brillierte noch immer mit seinen Schilderungen diverser Katastrophen, die zu Ausstellungsvorbereitungen offenbar gehören wie das Warten zu Weihnachten. Unbewusst registrierte ich, dass seine neue Seidenkrawatte schon einen hässlichen Fettfleck genau in der Mitte abbekommen hatte. Krampfhaft durchforstete ich mein Gedächtnis: Wie hieß der Mensch neben mir und wie kam er in diese Gruppe? Die anderen kannte ich zumindest vom Sehen – Honoratioren und die üblichen kunstbeflissenen Wohlstandsbürger mit mehr Geld als Geschmack. Das kommt davon, wenn man nicht aufpasst. Vielleicht wäre es klüger, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ich hatte ihn noch niemals vorher getroffen. Es konnte durchaus sein, dass unsere Wege sich auch in Zukunft nicht mehr kreuzten. Diese Aussicht war beruhigend und enttäuschend zugleich. Die Vernunft unterlag, weil die Neugier sich vehement auf die Seite der gefährlichen Anziehungskraft stellte. Es würde mir nichts anderes übrig bleiben, als den Stier bei den Hörnern zu packen. So nonchalant wie möglich griff ich nach meinem gefährlich grazilen Weinglas, nippte alibimäßig daran und wandte mich mit klopfendem Herzen meinem faszinierenden Nachbarn zu. Offenbar hatte er mich beobachtet, denn er grinste mich an, diesmal ohne wölfischen Ausdruck im Blick.
»Sie fragen sich gerade, wo Sie mich einordnen sollen, stimmt’s? Nein, ich gehöre nicht zu dieser Ansammlung von Wohlanständigkeit.«
»Das habe ich gemerkt.«
Er lachte, ehrlich amüsiert und doch schon wieder mit einem Anflug von Schlafzimmerblick. Der wurde intensiver, als er sich näher zu mir neigte und mit leicht heiserer Stimme, für unsere Nachbarn unhörbar, raunte:
»Und Sie? Seien Sie ehrlich, mit sich und mir.«
Sein Aftershave überflutete mein Kleinhirn und löste dort in Sekundenbruchteilen eine atavistische Reaktion aus. Ich bin überaus empfänglich für Gerüche. Manche lassen meine Knie weich werden und manche verwandeln mich in einen knurrenden Hund. Dieser Geruch, warm, dezent animalisch und sehr maskulin, wirkte auf mich, wie es fantasievolle Werbetexter gerne andeuten. In mir platzte ein Knoten, eine heiße Welle lief durch Bauch und Unterleib und ich spürte Feuchtigkeit zwischen meinen Schenkeln entstehen. Ich trug keinen Slip, der meine Schamlippen züchtig bedeckt und keine Einlage, die sie viktorianisch trocken gehalten hätte. Sie entfalteten sich wie die Papierblumen aus den Muscheln, die wir als Kinder oft geschenkt bekommen hatten. Das Schamhaar begann an der Innenseite der Oberschenkel zu kitzeln, als sie weiter und weiter anschwollen. Irritiert presste ich die Schenkel zusammen, weil ich plötzlich Angst bekam, so nass zu werden, dass es auf den Sitz des hellgelb bezogenen Stuhls durchfeuchtete. Meine Reaktion war dem Mann neben mir scheinbar nicht entgangen, denn sein Lächeln vertiefte sich. Ohne meine Augen loszulassen, schob er seinen Stuhl ein wenig zurück und beugte sich beiläufig unter den Tisch, um seine
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