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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner
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Russland zu verschleppen, um irgendwelche Leute zu suchen, die sie vermisst, und zwar Leute, die ihr Baby einfach im Stich gelassen haben. Ein Mädchen, das vorhat, dem riesigen Exsowjetmonster in den Eingeweiden herumzustochern.
    »Du hattest vor, mit ihr zu gehen? Nach Russland? Wann?«
    »Ich weiß nicht, Mama, wir haben die Tickets noch nicht gekauft.«
    »Und wann hättest du mir davon erzählt?«, fragt sie.
    »Kurz davor«, sagt Vaclav und verstummt, als ihm einfällt, dass es in Lenas Plan kein »Wir sagen es ihnen kurz davor« gab. Nicht ausdrücklich, aber eindeutig wurde vorausgesetzt, dass die Mütter, die Familien nichts wissen durften, weil sie den Plan nicht gebilligt hätten. Doch der Plan hatte zu klappen, und so mussten die Familien belogen werden. Vaclav erinnert sich, dass er das Haus verlassen, wegschleichen und früh am Morgen mit der U-Bahn zu Lenas Haus fahren sollte. Er kann jetzt sehen, was Lena von ihm verlangt hatte: Er sollte weglaufen, ins Flugzeug steigen, niemandem etwas davon sagen, einfach verschwinden. Das hätte ich meiner Mama niemals antun können, denkt er und ist gleichzeitig erschrocken, weil er schon auf dem besten Weg dazu war.
    »Sie wollte ihre Mutter auch nicht einweihen«, sagt er, um die Dinge abzumildern.
    »Sie hat eine Mama?«, sagt Rasia, und zugleich steigen in ihr |304| Freude und Traurigkeit darüber auf, dass Lena eine Mutter hat, die nicht Rasia ist.
    »Sie ist adoptiert worden. Sie hat ihre Mama sehr gern«, Vaclav atmet tief durch. »Ich weiß nicht, was passiert ist.« Natürlich weiß er das nicht. Lena ist zurück und flüstert ihm Sachen ins Ohr und tut alles dafür, dass er sich wohl fühlt, und sie hat Geheimnisse, Pläne, hat etwas Rätselhaftes an sich und hat Macht. Rasia fragt sich aber, ob Lena überhaupt eine Ahnung von dem hat, was gerade vor sich geht. Lena ist ein Mensch, der sehr verletzt worden ist. Sie ist ein trauriger Mensch. Rasia hat in ihrem Herzen eine ganze Abteilung zärtlicher Gefühle nur für Lena.
    Rasia weiß, na ja, vielleicht weiß sie es nicht wirklich, nimmt es aber stark an, dass Lena keine Ahnung hat, was hier gerade vor sich geht. Es war nicht ihr Plan gewesen, aufzutauchen und sich an Vaclav heranzumachen und ihn kleinzukriegen und zum Lügen und Ähnlichem anzustiften. Sie ist eine Verlorene, die etwas sucht. Lena glaubt, dass Vaclav ihr vielleicht helfen kann, es zu finden. Ansonsten handelt Lena mehr oder weniger ziellos.
    Die Welt fällt wieder auseinander
    Vaclav legt den Kopf auf den Tisch. Er versucht zu verstehen, warum Lena von ihm weggelaufen ist. Es gelingt ihm nicht. Er kann sich nicht vorstellen, je von Lena wegzulaufen.
    |305| Als sich die Tür öffnet, weiß Vaclav, wer es ist, und blickt nicht auf. Sein Papa kommt jeden Tag zur selben Zeit nach Hause.
    Beim Eintreten bemerkt Oleg, dass nichts zum Abendessen auf dem Herd steht und dass Vaclav und Rasia so aussehen, als hätten sie beide geweint.
    »Was ist?«, sagt er, schaut sie an und geht zum Kühlschrank, um seinen Wodka zu holen.
    Niemand reagiert.
    »Was ist los? Was Tragisches?«
    »Lena ist zurück«, sagt Vaclav durch Rotz und Tränen hindurch.
    »Lena?«, sagt Oleg in einem Ton, als wäre sie nicht der Mittelpunkt der Welt.
    »Ja, Lena.«
    »Oh, das kleine Mädchen, an dem der Freund der Tante herumgemacht hat? Etwa das Mädchen? Der Typ war ein Dreckskerl. Die im Gefängnis bringen ihn um.«
    Rasias Gesicht erstarrt. Vaclav hat das Gefühl, als löste sich sein Gesicht vom Schädel ab.
    Oleg blickt Rasia an und sieht ihr an, dass er etwas gesagt hat, was er nicht hätte sagen sollen.
    »Was ist?«, sagt Oleg.
    »Er sollte das nicht erfahren«, sagt Rasia gedämpft, »ich will nicht, dass er es weiß.«
    »Warum? Er ist alt genug, um das zu verstehen.«
    »Oleg«, sagt Rasia, »es reicht.«
    »Mama, stimmt das?«, sagt Vaclav ruhig und bedächtig. »Du hast gesagt, du hast die Polizei gerufen, weil ihre Tante sich nicht um sie gekümmert hat.«
    |306| »Ich habe die Polizei gerufen wegen dem, was ich gesehen habe.«
    »Du hast es gesehen? Was hast du gesehen?«
    »Nicht, was ich gesehen habe, was ich gewusst habe. Ich habe es viel zu lange gewusst«, sagt sie, dann senkt sich ihr Kopf, und sie muss weinen. »Ich habe es gewusst und dann auch noch gesehen. Und dann konnte ich nicht mehr wegschauen.«
    »Was hast du gewusst?«, sagt Vaclav, er versucht, das mit dem Herummachen anzuzweifeln. Er möchte, dass es nicht stimmt. Er möchte, dass es

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