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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner
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war nie fort.« Er sagt das, als wäre Rasia von der Gefängnisverwaltung, eine Aufseherin, die Lena die ganze Zeit vor ihm versteckt hat.
    »Du weichst mir aus. Stell dich nicht dumm. Ich habe dich gerade in meinem Haus erwischt, wie du mich beschwindelt hast, als du gedacht hast, ich wäre bei der Arbeit, und wie du Sex gehabt hast, was ich unerhört finde, und noch dazu mit Lena. Du hättest mir sagen sollen, dass du dich mit ihr triffst! Stell dich nicht dumm. Ich verlange eine Antwort von dir. Wie lange geht das schon?«
    »Ich weiß nicht, noch nicht so lange«, sagt er und schaut auf den Tisch.
    »Du hast mich angelogen. Du beschwindelst mich, und warum? Ich habe dich gefragt, was machst du heute, mein lieber Herr Sohn, und du hast gesagt N ICHTS, du Lügenmaul von ich weiß nicht wie vielen Lügen! Warum verheimlichst du mir das?«
    »Wozu willst du das wissen? Brauchst du jeden Tag einen vollständigen Bericht über die Leute, die ich sehe, wie Big Brother?« Rasia kann mit dieser Anspielung nichts anfangen. |301| Womit sie etwas anfangen kann, ist Vaclavs Versuch, den Erzürnten zu markieren, den jugendlichen Rebellen. Er kann das nur schlecht, er ist unsicher und ungeschickt. Rasia entschließt sich – ebenso schlecht   –, mit der Opferrolle und mit Traurigkeit zu kontern.
    »Wozu ich das wissen will? Ach, Vaclav. Ich habe gedacht, wir stehen uns nahe, ich habe gedacht, dass du mir alles sagen kannst, du weißt ja, meine Liebe für dich ist größer als das Meer, das ich zwischen mir und meiner eigenen Mutter gelassen habe, um dir zu diesem Leben zu verhelfen. Ich habe gedacht, du, mein einziger Sohn – ich habe gedacht, wir stehen uns nahe. Ich hatte keine Idee, dass ich mich so getäuscht habe   …« Vaclav schaut Rasia nicht mehr wütend an, und Tränen kommen ihm wieder in die Augen.
    Ist Rasia froh darüber, dass sie Vaclav zum Weinen gebracht hat? Nein, aber sie ist froh darüber, dass er seine Tour, irgendwie auf sie wütend zu sein, aufgegeben hat und ihren Fragen nicht mit falsch angebrachter Wut ausweicht.
    »Wie ist es dazu gekommen?«, sagt sie. Sie lässt einige Momente verstreichen, sie weiß, er möchte es ihr erzählen, hat aber Angst.
    »Sie hat mich angerufen. Wir haben uns nach der Schule getroffen, keine Ahnung.«
    »Was ist mit Ryan?«, fragt sie und hat den Namen gleich parat. Sie weiß, das Mädchen ist, wie man so schön sagt, »aus dem Rennen«. Vaclav weint nur noch heftiger.
    Rasia hat mit Ryan viel Mitgefühl, denn es passiert vielen netten, freundlichen und süßen Mädchen, dass ihnen das Herz zermanscht wird wie eine Büchsentomate, wenn Jungen sie |302| für die wilderen verlassen, die munter mit ins Bett hüpfen und gleich zur Sache kommen.
    »Warum hast du zu mir nicht die Wahrheit gesagt?«, fragt Rasia.
    »Es heißt ›mir die Wahrheit sagen‹, Mama.«
    »Hör mal«, sagt Rasia, »es ist die Wahrheit, die du von mir fernhältst, darum sage ich ›zu mir‹. Und hör auf mit der Englischstunde, Mr.   American, ich habe dich gerade etwas gefragt. Warum hast du etwas geheim gehalten? Glaubst du, ich hätte etwas dagegen gehabt? Hasst du mich so sehr?«
    »Ist doch klar, dass ich dich nicht hasse. Sie wollte nicht, dass jemand von der Suche nach ihren leiblichen Eltern erfährt, und ich weiß nicht, ich weiß einfach nicht, warum es ein Geheimnis bleiben sollte, aber es musste sein.« Er kann sich nicht mehr erinnern, warum er einverstanden war, Lena vor seiner Mutter geheim zu halten, oder wie er mit dem Lügen angefangen hat.
    »Was meinst du mit der Suche nach ihren leiblichen Eltern?« Rasia senkt die Stimme und sagt sehr behutsam: »Wo wolltet ihr denn ihre Eltern suchen?«
    Vaclav ist zu erschöpft, um zu lügen.
    »In Russland.« Rasia atmet tief durch, beruhigt sich und sagt sich, wie froh sie sein kann, dass Vaclav ihr das jetzt mitgeteilt hat. Sie hat allerdings das Gefühl, als hätte sie den Kühlschrank geöffnet und eine Landmine oben auf dem Gefrierfach gefunden und trüge sie nun vorsichtig aus dem Haus.
    »In Russland?«, fragt Rasia mit leiser, ruhiger Stimme.
    »Ja.«
    Rasia denkt an das Land, das sie verlassen hat, an das, was sie durchgemacht hat, um von dort wegzukommen, an all die |303| schrecklichen Dinge, besonders an die schweren Entscheidungen, die man zu treffen hatte, und überlegt, wie das Mädchen ihren Sohn in so kurzer Zeit in eine Schlangengrube aus Lügen und Sex hineingezogen hat und darüber hinaus plant, ihn mit sich nach

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