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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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trocken.
    Lucas sah sie daraufhin mit einem rätselhaften Halblächeln an. Und fragte sie kurz darauf sehr sanft: »Bist du dir auch ganz sicher?«
    »Tja, das kann ich jetzt sowieso nicht mehr ändern. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich auch noch an Nagellackentferner gedacht habe?«
    »Nicht das«, sagte er ungeduldig. »Ich meinte … du weißt schon … das Heiraten, das ist ein Riesenschritt.«
    »Ich kann jetzt nicht mehr zurück«, sagte sie leichthin.
    »Rosie …« Er streckte seine Hand aus und berührte ihren Nacken. »Ich kann die Narbe sehen. Weil die Haare hochgesteckt sind.«
    Sie beugte sich zum Spiegel und legte ihre Finger auf die rote Linie. Sie fand einen Abdeckstift und reichte ihm diesen. »Die hat Mum übersehen. Bist du so nett?« Sie blieb geduldig sitzen, während Lucas mit der Fingerspitze Make-up auf die Narbe tupfte, wobei seine Zunge vor Konzentration ein wenig hervorspitzte.
    »Da«, sagte er. »Unsichtbar. Sie legte ihre Halskette wieder um und von der Narbe war nichts mehr zu sehen. Die milchigen Perlen fühlten sich warm an auf ihrer Haut und eine einzelne Tränenperle lag auf ihrem Brustbein. Das Bild frostiger Perfektion war vollständig.
    Prinzessin für einen Tag , sagte sie sich, als sie ihr fremdes Ich anstarrte.
    Ich komme mir vor wie die Tochter des Königs von Elfland, ich heirate den Lieblingsritter meines Vaters. Alles ist, wie es sein sollte.
    Ich bin eine Gärtnerin mit schmutzigen Fingernägeln.
    Ich bin einfach nur ich. Aber – wer bin ich?
    »Der Wagen ist da!«, rief ihre Mutter trällernd von unten herauf.
    »Du bist so still, Rosie«, sagte Lucas. »Hast du Angst? Es ist doch bloß Alastair.«
    »Ich bin nicht still, ich bin gelassen.«
    »Und woran denkst du?«
    Rosie atmete ein und aus. »An die Zukunft«, sagte sie.
    Und dann begann sie, die Märchenhochzeit mit Lilienkaskaden und dem erwartungvollen erdbeerblonden-aber-nicht-rotschopfigen Bräutigam in seinem Kilt, die eine neue Zukunft in der Oberflächenwelt einläutete. Kein Wuthering Heights mehr mit seinen geistesgestörten Bewohnern , sagte sie sich. Wir lächeln alle und schreiten voran .
    Die paar Stunden in ihrem Zimmer waren die letzte Oase der Ruhe gewesen. Sobald die Hochzeitslimousine kam, wurde sie vom Strudel der Ereignisse mitgerissen.
    Der Hochzeitsempfang fand in einem georgianischen Herrenhaus statt, das zu einem Konferenz- und Hochzeitszentrum umgebaut worden war – marmorne Würde mit Kaskaden weißer Blumen. Es war die Traumhochzeit schlechthin. Da war Alastair, gut aussehend und zitternd, der archetypische nervöse Bräutigam, in seinem Gefolge seine Onkel und Cousins aus Aberdeen in ihren Festtagskilts und allesamt, Alastair eingeschlossen, ein Clan von Fremden.
    Rosie erlebte die Zeremonie, als stünde sie unter Betäubungsmitteln. Sie schien alles wie von außen wahrzunehmen, ein körperloser Geist, der eine gelassene und gefasste junge Frau dabei beobachtete, wie sie vor dem Standesbeamten ihre Gelübde ablegte. Als Alastair sie küsste, spürte sie seine Lippen kaum auf ihren. Alles rauschte an ihr vorbei wie ein Theaterstück.
    »Was meinst du, werden wir jemals ganz frei von ihnen sein?«, hatte sie Lucas vor nicht allzu langer Zeit gefragt und damit die Wilders gemeint, das Geflecht von Stonegate. Und schon kam es ihr wie ein vergangenes Leben vor.
    Als draußen auf den Marmorstufen Fotos gemacht wurden, fiel ihr auf, dass ihre Familie genauso schlicht menschlich aussah wie die Alastairs. Es gab überhaupt keinen Unterschied. Es sah fast so aus, als hätten sie eine Grenze überschritten und wären sterblich geworden und hätten jegliche Erinnerung an die Anderswelt verloren. In ihr meldete sich leiser Widerstand. Sie sah, dass Matthew lächelte.
    Rosie überstand den Empfang mit Plaudern und Lachen. Gläser wurden erhoben, man stieß an und hielt humorvolle Reden. Sie fühlte sich auf wohlige Weise dem allen enthoben. Nichts mehr vermochte sie zu verletzen und sie war befreit und lachte, so viel sie wollte. Von außen betrachtet war es ein makelloses Schauspiel des Glücks. Die Gäste betrachteten sie und hatten nichts auszusetzen an ihrer strahlenden Erscheinung. Die Vergangenheit neigte sich und stattdessen stieg die Zukunft herauf, es war der fröhliche Moment der Wiedergeburt, und doch wusste keiner, welche Reise sie hinter sich hatte.
    Als Alastair sie vor Stolz strahlend um den ersten Tanz bat, fühlte sie sich wie zwei getrennte Wesen. Das eine war die elegante,

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