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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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Augen waren leer, als wäre sie endlos weit weg.
    »Hey, meine Schöne«, sagte er. Trotz ihres zaghaften Lächelns blieben ihre Augen geisterhaft grau, und da merkte Sam, dass bei ihr der Schock verspätet eingesetzt hatte. Wie bei ihm auch. Er setzte sich ans andere Sofaende, unfähig, sie zu berühren. »Wie geht es dir?«
    Sie stöhnte. »Als wäre ich unter eine Dampfwalze geraten. Alles tut weh. Überall Schnitte und Kratzer.«
    »Zum Glück heilt bei uns alles schnell. Wie geht es dem Brandmal?«
    Sie hob rasch ihren Pullover an, um ihm die rote Spirale auf ihrem cremefarbenen Fleisch zu zeigen. »Wir haben Luc besucht«, sagte sie. »Es geht ihm recht gut. Auch Onkel Comyn war bei ihm.« Nach einer Pause fuhr sie fort: »Ich kann Lucas kaum ansehen, ohne daran zu denken, was beinahe geschehen wäre … Wir sind wirklich nur um Haaresbreite einer ausgewachsenen Tragödie entkommen. Aber Alastair ist immer noch tot.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich sollte zur Beerdigung gehen. Aber wie kann ich seiner Familie entgegentreten, diesen schottischen Onkeln und Vettern?«
    »Geh nicht«, sagte Sam mit Nachdruck. »Lass sie die Leiche mit nach Hause nehmen, sie sollen sich selbst darum kümmern. Du wirst sie nie wiedersehen müssen.«
    »Es ist so ein Chaos. Ich habe das Gefühl, alle enttäuscht zu haben.«
    »Nein, es ist mein Fehler«, sagte Sam leise. »Es war ein Spiel, und wenn ein Spiel aus dem Ruder läuft, macht es keinen Spaß mehr. Ich wünschte, ich könnte alles rückgängig machen.«
    »Nein, das tust du nicht.«
    Ein trockenes schiefes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Es war unglaublich, aber es war es nicht wert, dich so zu sehen.«
    »Jetzt müssen wir damit leben, was wir getan haben.« Sie hielt den Kopf schief. Wie gern hätte er jetzt ihr schönes Haar gestreichelt. Doch er musste an Auberons Worte denken und dabei fröstelte ihn. Dieses Ungleichgewicht zwischen ihnen würde immer bleiben: Dass Rosie zu viel Scham empfand und Sam zu wenig. »Die Anderswelt verändert einen. Das wird mir jetzt klar. Es heißt, wenn man in den Abyssus geschaut hat, schaut der Abyssus zu dir zurück. Ich kann verstehen, dass Luc von der Leere so fasziniert war. Das ist das Letzte, wovor man Angst haben muss, nicht wahr? Wenn du diese Angst loslässt und springst, dann wirst du nie wieder Angst haben.«
    »Nein und zudem bist du tot«, sagte Sam. »Ich denke nicht über so etwas nach. Darüber wird man verrückt.«
    »Ich kann nicht leugnen, dass ich heute ein wenig verrückt bin«, sagte sie lächelnd. »Du bist der Vernünftige.«
    »Ich meinte damit nicht …« Er seufzte. »Hey, was ist mit deinem Kristallherz passiert? Du hast es getragen, als wir loszogen.«
    »Oh, das habe ich Estel, dem Rickenmädchen, gegeben. Ein kleiner Preis, wie ich fand, im Tausch gegen Lucas. Und sie war so süß und kindlich – und zugleich konnte sie einem gewaltige Angst einjagen.«
    »Ich schenk dir ein neues.«
    »Aber keinen Albinit«, sagte sie rasch. »Wenn funkelndes Glas gut genug für die Sternendame ist, dann ist es auch gut genug für mich.«
    Sie saßen schweigend nebeneinander. Rosies Schockzustand und Sams Schuldgefühle angesichts ihres Schmerzes lagen wie eine dicke Eiswand zwischen ihnen. Gern hätte er seine Arme um sie geschlungen, konnte es aber nicht; sie war in sich gekehrt und empfindlich und eindeutig nicht in der Verfassung, getröstet werden zu wollen.
    »Ich werde mich jedenfalls für eine Weile rarmachen«, verkündete er. »Dein Vater möchte mich hier nicht sehen und ich kann es ihm nicht verdenken. Du brauchst jetzt deine Familie um dich herum und ich muss ein paar Dinge klären.«
    Sie starrte ihn mit einem Ausdruck an, der ihm in die Seele schnitt: gleichzeitig verdutzt und ernst und schicksalsergeben. »Was für Dinge?«
    »Als ich im Gefängnis war, habe ich einen wunderbaren Mann kennengelernt.«
    »Also, das habe ich nicht kommen sehen.«
    Er grinste. »Ja, knappe zwei Meter, mit einem dichten roten Bart, genau mein Typ. Er arbeitet für ein ehrenamtliches Kriminalitätsbekämpfungsprogramm, das ehemaligen Sträflingen bei der Arbeitssuche hilft und dafür sorgt, dass junge Straftäter nicht wieder Ärger bekommen und so weiter. Ich habe angefangen, ihm dabei zu helfen, und die jungen Straftäter beraten und so. Also, er hat mir Arbeit angeboten. Ich war nicht tatenlos, Rosie, ich hatte Collegekurse belegt. Wenn ich die bestanden habe, kann ich mit ihm arbeiten. Problem-Kids Fähigkeiten

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