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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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alten Lampenschirmen, bemerkte er etwas Bleiches – Fluoreszierendes –, das tatsächlich von sich aus leuchtete. Er unterdrückte einen Aufschrei. Noch zwei Schritte und er sah ganz deutlich die Biegung eines nackten Rückens.
    Ein Körper, eine Menschengestalt. Die Beine waren abgewinkelt, der Kopf beugte sich über die Knie, die Arme lagen locker auf dem Boden, das Gesicht war unter einer Flut von Haaren verborgen. Aus den hängenden Schultern schwang sich ein Flügelpaar in die Luft. Alles war in verblasstes Gold und Bronze getaucht.
    Die Gestalt atmete. Ein leichtes Seufzen entfuhr ihr.
    Lucas war wie gelähmt. Er sagte: »Hallo?«
    Keine Antwort. Die leuchtende Gestalt schluchzte. Ihre Stimme jagte ihm solche Angst ein, dass er stolpernd und taumelnd bis zur anderen Seite des Dachbodens hastete. Dort fand seine Hand einen Türrahmen und die Wölbung eines altmodischen Lichtschalters. Geschüttelt von panischer Angst knipste er ihn an. Eine nackte Glühbirne verbreitete ihren schwachen Schein.
    Ein Gemälde. Er betrachtete ein lebensgroßes gerahmtes Ölgemälde eines untröstlichen Eros unter braunen Schichten alten Firnisses.
    Lucas tastete nach der Tür. Dahinter führte eine schmale Treppe zu einem einsamen Treppenabsatz – aber er befand sich wieder im Inneren des Hauses und konnte das ferne Gemurmel des Maskenballs hören. Keuchend vor Angst und Erleichterung stand er da und musste über seine eigene Dummheit lachen.
    Ein Gemälde. Aber er hatte es atmen sehen. Er hatte atmendes, lebendiges Fleisch gesehen.

~  3  ~
König von Elfland
    Nach der Party saß Lawrence im kühlen Luftzug des geöffneten Fensters in einem Sessel seiner Bibliothek und ließ die Hände zu beiden Seiten über die Armlehne herunterbaumeln. Von hier hatte er die Großen Tore im Blick. In der Oberflächenwelt hatte deren Anblick nichts Bemerkenswertes zu bieten, es war ein zerklüfteter Berg, kreisförmig von Bäumen umstanden und gekrönt von präkambrischen Felsfalten, einem Charakteristikum des Charnwood Forest.
    Erst wenn er seinen Blick auf die Schattenreiche verlagerte, wurde etwas anderes daraus. Ein Dolmenhügel. Ein monumentales Gebilde, silbrig und fest und doch lebendig … von den Alten dort aufgebaut, als Überschneidungspunkt zwischen dieser Welt und der Unterwelt.
    Mit zusammengepresstem Kiefer wandte er sich ab.
    Es war ein wundersames Labyrinth gewesen, das in die prächtigen geschichteten Reiche des Aelyr führte. Jetzt schien es eine Festung zu sein, eine Reihe gigantischer Türen, eine in der anderen, jede verschlossen, verriegelt und undurchdringlich.
    Er selbst hatte diese Tore verriegelt. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, war er wieder dort und rannte und rannte, als kämpfte er gegen eine Flut an, und die große unsichtbare Bestie, der nebulöse Schattenriese Brawth, folgte ihm. Dieses Ungeheuer erfüllte den Himmel und konnte nur von ihm besänftigt werden. Es musste ihn für irgendeine schwerwiegende Überschreitung bestrafen, an die er sich nicht einmal erinnern konnte, musste ihn zerstören, seiner bloßen Existenz wegen. Und schlimmer noch, alles niederbrennen, was es auf seinem Weg fand, den Schädel jedes einzelnen Elfenwesens mit seinem brennenden Schwert aus Eis durchbohren …
    Seine Söhne. Das Ungeheuer wollte seine Söhne.
    Und der Eisriese kam immer näher, egal wie viele Tore er vor ihm schloss. Teile von ihm schoben sich durch und wurden von den zuschlagenden Toren abgetrennt, sie bedrängten ihn jetzt in Gestalt feiner Albtraumgespinste. Wieder und wieder schlug er in seiner Erinnerung die letzte Schranke zu, Bolzen rasteten ein und alles wurde still.
    Dann war Lawrence vor Erschöpfung in die Knie gegangen und hatte der Wahrheit ins Gesicht geschaut.
    Niemals mehr würde er es wagen, die Tore zu öffnen.
    Niemals.
    Teile des Ungeheuers waren entwichen und verfolgten ihn noch immer. Selbst hier in der stillen Bibliothek konnte er sie spüren. Sie lebten in den dunklen Winkeln des Hauses, geistlose Spione ihres Meisters. Er konnte sie nicht mehr von den Disir unterscheiden, den Wächtern seines eigenen Hauses, die der Spiral Court ihm zum Schutz entsandt hatte. Er war seines Lebens nicht mehr sicher.
    Keiner war mehr sicher, aber sosehr er sich auch bemühte, es den anderen zu erklären, es gelang ihm nicht, sich ihnen verständlich zu machen.
    Er wanderte mit seiner Großmutter durch die Wildnis von Ecuador, durch die Wildnis des dort Oriente genannten Regenwaldes. Lawrence war

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