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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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Auberons Bauernfamilie –, oder waren sie auf der Erde gefangen? Würde auch die Grüne Frau sterben, wenn alle Verbindungen zur Spirale dahinschwanden? Sie musste an das schreckliche Bild denken, dass sie nach Hause kam und Oakholme verlassen vorfand, weil die Eltern ohne ein Wort verschwunden waren. Solange die Tore geschlossen blieben, hatten Jessica und Auberon wenigstens keinen Grund zu verschwinden.
    Als sie im Bett lag, ließ sie ihr Bewusstsein in die Schattenreiche eintauchen, und ihre Wahrnehmung veränderte und vertiefte sich wie das honigfarbene Mondlicht im Zimmer. Es war ganz leicht. Solange die Schattenreiche Oakholme noch derart üppig umgaben, konnte doch noch nichts Schlimmes passiert sein, oder?
    Ihr ins Licht getauchtes Schlafzimmer glänzte, als wäre es von goldenem Tau überzogen. Sie erhob sich und ging zu ihrem Schrank, in dem sich aber keine Kleider befanden, sondern ein gewundener Gang aus dunklem Walnussholz, der in eine Kammer führte, wo sich ein schimmernder Baum durch die Dielenbretter reckte und im Gewölbe der Zimmerdecke verschwand.
    Im Bewusstseinszustand der Verzauberung umkreiste Rosie den Baum und kletterte über seine Wurzeln. Die Blätter waren grüne Lichtschuppen und der Stamm silbern und dick, runde Auswüchse, glatt wie Seide, quollen daraus hervor und fühlten sich warm an. In ihrem seltsamen Wachtraum strich sie mit ihren Fingern über die Rundungen und legte ihren Kopf an seine silberne Rinde. Während sie, den Stamm mit ihren Armen umschlingend, ihren ganzen Körper dagegendrückte, schien dessen Wärme sie zu erfüllen und sich perfekt dem seltsamen Drang anzupassen, der sie antrieb.
    Rosie zerfloss schwebend und schwer atmend zu goldenem Feuer. Die Schattenreiche zerplatzten weich wie Seifenblasen. Keuchend erwachte sie in ihrem Bett, wo sie zuckend mit nach hinten geworfenen Händen lag. Einmal musste sie nicht an Jon denken, sondern gab sich dem schlichten Wunder der Ekstase hin. Sie schob eine Hand zwischen ihre Schenkel, damit das Gefühl anhielt.
    Was dort hinter ihrem Kleiderschrank lag, war zwar nicht gerade Narnia, gehörte aber ihr. War ihr wunderschöner geheimer Baum der Erkenntnis.
    Schultrimester und Jahreszeiten rauschten vorbei. Rosie sah Sam nie wieder in Begleitung des Pitbulls. Das Mädchen weilte noch immer im Dorf – hielt aber sicheren Abstand zu Rosie –, Sam aber war weggegangen. Gerüchten zufolge zog er als Rucksacktourist durch Europa. Lawrence war darüber offenbar nicht gerade erfreut. Rosie wusste ihre Empfindungen nicht recht einzuordnen, doch vor allem war sie erleichtert.
    Kraft und Erdung fand sie in ihrer Liebe zu den Blumen, der Erde und allem Lebendigen. Sie war eine wahre Elysierin, eine geborene Gärtnerin. Um sich mit der Erde zu verbinden, musste sie in die Natur gehen, in den grünen Wald, zu den silbernen Seen, wo Weiden ihre Spiegelbilder küssten, musste sich aufsaugen lassen vom Fels und der feuchten, wurmigen Erde … um neu erschaffen wiederaufzuerstehen. Sie kümmerte sich um Oakholmes weitläufige Gründe, redete sanft mit den scheuen Elementargeistern, die ihr beim Arbeiten aus den Zweigen zuguckten. Sie begann den vernachlässigten Rosengarten wieder neu anzulegen, angetrieben von der Idee eines heiligen Ortes. Jedes Mal, wenn sie an der Alten Eiche vorbeikam, verneigte sie sich und grüßte die Grüne Frau, obwohl Luc sie aufzog und die Dryade selbst sich nur selten blicken ließ. Doch es war eine Frage des Respekts.
    Mit achtzehn ging sie mit einem guten Zeugnis von der Schule ab und bekam einen Platz auf dem College für Gartenbau. Jon besuchte nun die Kunstakademie in Nottingham, sodass Rosie ihn nur selten zu Gesicht bekam, doch ihre Obsession hielt an. Der Gedanke, keine erneute Chance zu bekommen, war kaum auszuhalten.
    Eines Tages im August kam Lucas atemlos zu ihr gerannt. »Ich bin im Dorf gerade Jon begegnet«, sagte er. »Er feiert seinen Geburtstag am nächsten Samstag mit einer Party. Alle sind eingeladen – seine Freunde vom College, von der Schule und aus dem Dorf. Möchtest du hingehen?«
    Fast hätte Rosie Nein gesagt. Sie ärgerte sich über die Woge des Verlangens und die Herzklopfen verursachende Erregung, die sie erfasste. Wenn Jon sie sehen wollte, wusste er, wo sie wohnte, außerdem hatte er seit vier Jahren eine offene Einladung. Sie brauchte sich nicht noch mehr selbst zu demütigen, indem sie auf diese verdammte Party ging. Aber, überlegte sie hilflos, aber … wenn nun dieses Mal

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