Vaethyr: Die andere Welt
keine Hoffnung.«
»Was dann?«
»Ich wollte sichergehen, dass sie auch fest verschlossen sind. Damit während meiner Abwesenheit alle sicher sind.«
»Du bist doch nur für ein paar Wochen in New York. Ich werde nicht zulassen, dass etwas passiert.«
»Darüber hast du keine Kontrolle«, sagte er und wandte sich ab.
»Du kannst mich nicht ständig aus deinem Leben ausschließen, Lawrence.« Fragenden Blicks legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm. »Du solltest dich entscheiden, was ich eigentlich für dich bin – eine Ehefrau oder eine bessere Haushälterin? Was willst du?«
Sapphire wirkte nach außen hin zwar kontrolliert, darunter jedoch kochte sie vor Wut. Je mehr er sie ausschloss, desto mehr versuchte sie sich ihren Weg zu erzwingen und desto mehr entzog er sich ihr. Er schloss die Augen. »Ich will Frieden. Ich will, dass Sam nach Hause kommt.«
Ihre Lippen spannten sich zu einem Lächeln. »Das wünschen wir uns alle. Ich hatte doch recht damit, dich zu überreden, Lucas die Wahrheit zu sagen, oder? Du hast einen Sohn dazugewonnen.«
»In der Tat.« Ein weiterer Sohn, auf den Brawth Jagd machen wird , überlegte er düster.
»Also stehst du in meiner Schuld. Wenn du mir doch nur Zutritt gewähren würdest in deine geheime Welt!« Ihre Stimme bebte vor Leidenschaft. »Gemeinsam könnten wir die Tore öffnen, Seite an Seite. So sollte es sein. Du und ich, gemeinsam erobern wir die Anderswelt als König und Königin.«
Er legte seine Hand auf ihre und löste sie von seinem Arm. Und während er sich herabbeugte, um ihre Wange zu küssen, flüsterte er: »Niemals, meine Liebe. Die Anderswelt war nie ein Angebot.«
Wutschäumend saß Sapphire in ihrem Zimmer ganz oben im Haus. Selbst in ihrer Gartenkleidung passte sie in das Ambiente – ein zerzauster Filmstar, der für einen Zeitschriftenartikel fotografiert werden soll. Ihr nackter Zeh zuckte immer wieder in der Luft.
So war das alles nicht geplant gewesen.
Doch es gehörte zu ihrem Naturell, eher mit süßer Vernunft als mit Wut zu operieren. Dazu hatte sie sich selbst erzogen. Wäre es anders, hätte sie Lawrence mit einem Schlag zu Boden geworfen.
»Er wird dich verschlingen und dann ausspucken«, hatte Jessica ihr bei ihrer ersten Begegnung mit süßer Stimme ins Ohr gemurmelt. Sapphire hatte dahinter Eifersucht vermutet – arme, wirre Erdenmutter –, aber Jessica hatte recht behalten. Sapphire hatte davon geträumt, eine gesellschaftliche Bühne zu errichten, das Haus für Gäste zu öffnen, sich und ihre perfekte neue Familie der Welt zu präsentieren, die Königin eines glänzenden Hofs zu werden.
Aber Lawrence spielte nicht mit.
Anfangs hatte er es versucht, bis der Zorn der Vaethyr-Gemeinde ihn wieder in seine brütende, selbst auferlegte Einsamkeit zurückwarf. Sie verzweifelte daran, wie schnell er aufgab – erkannte jetzt aber ihre Torheit, zu glauben, er werde sich ändern. Doch sie hatte weitergemacht, die Gastgeberin, die liebende Mutter, das glamouröse Gesicht von Wilder-Schmuck und die Säule der Gemeinschaft gespielt – doch da er ihr seine Unterstützung verweigerte, war es leere Maskerade geblieben. Und genau als das benutzte Lawrence sie: als seine Maske.
Vor einigen Jahren – lange nachdem Virginia ihn verlassen hatte, denn Sapphire hatte eine Ewigkeit gebraucht, sein Vertrauen zu gewinnen – hatte er sie mit zu einer Konferenz genommen. In der Hotelsuite hatte er sie ihre Massagekünste an seinem Rücken unter Beweis stellen lassen, was dann fließend in stundenlangen Sex und Champagner übergegangen war. Betrunken hatte er ihr dann anvertraut, einer älteren Art anzugehören und für die Tore verantwortlich zu sein, die zwischen den Welten standen; hatte Geschichten von seiner gütigen, aber fordernden Großmutter, einem ihm feindlich gesinnten Vater, einem Kind von der Frau eines anderen Mannes erzählt … davon, dass seine eigene Frau ihn verlassen hatte, weil sie ihm nicht verzeihen konnte, dass er sein Geschäft mehr liebte als seine Söhne.
Er sprach von Eugene Barada, einem brutalen menschlichen Feind, der versucht hatte, ihm die Mine wegzunehmen.
»Was ist aus ihm geworden?«, hatte Sapphire gefragt und dabei ihren Kopf dicht neben seinen auf das Kissen gelegt.
Eine Pause. »Er verlor. Ich habe mich als der Rücksichtslosere erwiesen. Ich vertraue nur den Edelsteinen; die sind solide und verlangen weder Furcht noch Liebe. Sie sind es wert, geschützt zu werden, und zwar um jeden Preis. Ich erwarte
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