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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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das gute vier Stunden Fahrtzeit entfernt, am Nordrand des Yorkshire Moors lag, umso trübseliger wurde die Landschaft, als hätte irgendein finsterer Herrscher das Land durchstreift. Ihr kleines Auto tuckerte tapfer dahin. Der scharfe Wind, der von vorne kam, bremste ihr Tempo und sie fühlte sich isoliert, ausgesetzt und winzig in dieser nach allen Richtungen bis zum Horizont von Torf und Heide beherrschten Landschaft. Aber sie tat dies für Jon und stellte damit ihre Liebe unter Beweis, selbst wenn er sie nie erwidern sollte.
    Die Nacht hatte er im Zimmer neben ihr verbracht, und sie hatte kaum geschlafen, weil sie sich seiner unerreichbaren Nähe bewusst war. Erschöpft war er am Morgen aufgetaucht, hatte das Frühstück verweigert und sie nur matt angelächelt, als sie aufbrach. Seine Schuldgefühle schienen seinem Gewissen arg zuzusetzen. Wenigstens hatte sie ihn überreden können, sich zu duschen.
    Am Rand einer Kleinstadt tauchten die ersten Schilder auf, die auf das Gefängnis verwiesen. Sie folgte der Route durch den hübschen Altstadtkern zu einer Siedlung aus Häusern, die in den Siebzigerjahren entstanden waren. Dann kam ein mit Elektrodraht, Stacheldraht und Flutlichtanlage gesichertes Gelände. Und im Blitzlicht des Gewitters ragten die Mauern des eigentlichen Gefängnisses auf. Sie hatte sich ein graues Gebäude mit gotischen Türmen und winzigen vergitterten Fenstern im Moor vorgestellt. Stattdessen fuhr sie auf einen riesigen modernen Bau aus sandfarbenen Ziegelsteinen zu. Die sich in ihrer institutionellen Strenge endlos in die Breite und in die Höhe erstreckende Mauer verschlug ihr den Atem.
    Rosies Mut sank. Sie konnte es Jon nicht verdenken, dass er sich diese Erfahrung ersparen wollte. Wäre er nicht gewesen, hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht und wäre geflüchtet. Doch so fuhr sie bis zur Schranke, zeigte ihren Ausweis und wurde durchgewinkt.
    Sie parkte auf dem Besucherparkplatz und ging dann langsam auf die Eisentüren zu. Ihr war kalt und schwindelig vor Angst. Die Festung nahm sie in sich auf, ein Tor, eine Sicherheitskontrolle folgte auf die nächste, und mit jedem Schritt drückte die Last der Ziegel und des Metalls schwerer auf ihr Gemüt.
    Eine Beamtin untersuchte sie, tastete sie erst mit einem Gerät und danach ihre Kleidung mit den Händen ab und erklärte ihr die Vorschriften. Rosie betrachtete die müden, traurigen Gesichter der anderen Besucher und wurde sich dabei bewusst, was für ein wohlbehütetes Leben sie bisher geführt hatte. Das war alles so profan und doch feindselig. Es raubte einem die Seele.
    »Hier entlang«, sagte die Beamtin. In diesem Moment hatte Rosie eine Halluzination. Das Gesicht der Frau veränderte sich: Die Haut wurde zu Schuppen, die Augen hell und lidlos. Sie war vor Entsetzen wie betäubt. »Ist wohl das erste Mal?«, fragte die Frau. »Nun machen Sie nicht so ein besorgtes Gesicht.« Während sie sprach, nahm sie wieder menschliche Züge an, mit einem freundlichen verwitterten Gesicht und lockigen braunen Haaren.
    »Ja«, brachte Rosie heraus.
    »Der Ehemann?« Es war die beruhigende Stimme einer Frau, die schon alles erlebt hatte. »Oder der Freund?«
    »Nein! Nur ein – eigentlich nur ein Nachbar. Er hat sonst niemanden.«
    »Na, das ist aber nett von Ihnen.« Im Gesicht der Wärterin zuckte erneut ein Dämon auf. »Haben Sie die Vorschriften verstanden? Gut. Folgen Sie den anderen und nennen Sie dem Beamten an der Tür Ihren Namen.«
    »Danke.« Der gestaltlose Korridor erbebte. Rosie spürte die Spannung in der Luft. Sie hörte die Stimmen der anderen Besucher von weiter vorne, aber als sie um eine Ecke bog, war der Korridor vor ihr leer. Das konnte nicht sein.
    Die Beleuchtung wurde trüb und der Boden erbebte wie vom Rumpeln schwerer unterirdischer Maschinen. Das ist nicht die Oberflächenwelt, sagte Rosie sich, als sie weiterging, und die Schattenreiche habe ich so noch nicht gesehen … Sie sah schmale, von roten Feuern glühende Tunnelöffnungen. Lampen, die an den Wänden aufgereiht hingen, gaben ein ominöses Summen von sich. Es stank nach abgestandenem Urin und Desinfektionsmittel, gewürzt mit Kohl.
    Sie betrat einen rauchgrauen höhlenartigen Raum, in dem ein Beamter wartete. Mit seinem Reptiliengesicht und den hellgrünen Augen versuchte er gar nicht erst, menschlich auszusehen. Doch sie folgte tapfer seiner Aufforderung, einzutreten. »Tisch vier.«
    Nach einem Schritt wackelte das Bild und sie sah vor sich den rechteckigen

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