Valadas versinkende Gaerten
verschiedene Möglichkeiten. Natürlich hat keine etwas mit dem wahren Sachverhalt zu tun, den kenne ich ja auch gar nicht. Ebenso, wie ich mich nicht an die Einzelheiten meiner Erkundungen auf dem Terrain des Ibn Nagrella und seines Sekretärs gebunden fühle. In jeder der Geschichten aber sollte jene Perlenkette eine Rolle spielen, die mir das Schicksal auf einer Landstraße in die Hände gegeben hat. Der »Beweis« dafür, dass ihre Besitzerin diese Welt für immer verlassen hat.
Die erste Geschichte:
Verehrte Sayyida, Herrin meines Herzens und sicher bald Sayyida Al Kubra,
ich habe dir Trauriges zu berichten über das Schicksal unserer gemeinsamen Freundin, der Poetin Kasmuna bint Ismael.
Wie du mir über deinen Vertrauten, den Wesir, hast miteilen lassen, batest du mich, nach dem Verbleib der Jüdin zu forschen. Ich gehorche deinem leisesten Wink, Herrin, wie du wohl weißt, und besuchte eilig das traurige und von Allah gestrafte Granada, dessen Bürger gegen seine Schutzbefohlenen wüteten und sie abschlachteten, als seien sie toll gewordene Hunde, vor allem aber frevelhafterweise Hand anlegten an den dortigen Hadjib, Freund des Fürsten und Sohn eines berühmten Staatsmanns und Dichters.
Den Besuch des Judenviertels habe ich mir erspart, denn ich wusste sicher, dass der Mann, den unsere Freundin aufsuchen wollte, am Hof des Ibn Nagrella arbeitete und unweit von dort lebte.
Also begab ich mich zur Residenz des ermordeten Wesirs, um dort Nachforschungen anzustellen.
Welch trauriger Anblick erwartete mich da, geliebte Herrin! Zerstörung durch Feuer und Gewalt allüberall, die schönenHallen des Palastes verwüstet, der Park zur Einöde gemacht, das Getier gestohlen oder hingemetzelt. Und Leichen! Leichen überall!
Zunächst glaubte ich, kein lebendes Wesen an dieser Stätte der Vernichtung und des Todes vorzufinden, doch dann entdeckte ich einige alte Juden, die mit der Bestattung ihrer Angehörigen beschäftigt waren, und sie wiesen mir unter viel Jammern und Klagen den Weg zum Haus des Mannes, der mit Kasmuna verwandt war.
Zitternd und zagend machte ich mich auf den Weg.
Was ich sehen musste, geliebte Herrin – die Feder sträubt sich, es niederzuschreiben. Auch hier gab es einige würdige Rabbiner, die sich der Toten annahmen, die aufgebahrt im Innenhof lagen. Und unter ihnen befand sich auch die schöne Kasmuna – bleich und mit geschlossenen Augen.
Man berichtete mir, dass die ganze Familie, um nicht den Mordbuben in die Hände zu fallen und Folter oder Schande zu erleiden, sich selbst das Leben genommen hatte.
So entsetzlich dies Ende auch ist – Trost für uns sollte sein, dass ihr unsägliche Marter erspart geblieben ist.
Als ich schon wieder gehen wollte (schweren Herzens und beklommenen Gemüts), trat eine alte Frau an mich heran, eine Dienerin, die ich in glücklicheren Zeiten in der Nähe Kasmunas gesehen hatte. Sie warf sich vor mir zu Boden und küsste meine Schuhe, ihrem Gott dankend, dass er mich hierhergeschickt hatte, denn, so sagte sie, nun könne sie doch das Vermächtnis ihrer Herrin in meine Hände legen, als dem Mann, der sowohl Kasmuna nahegestanden hatte – und der Prinzessin noch immer nahesteht. So drückte sie es aus. Kurz bevor sich unsere Poetin nämlich selbst entleibte, rief sie diese Dienerin beiseite und befahl ihr, sich zu retten, und zwar in einem Kellerloch, das für die Lagerung von Eis vorgesehen war und in dem sich nur eine Person verbergen konnte. Sie löste die Perlenschnur von ihrem Hals und reichte sie ihr, wiedie alte Frau berichtete, mit folgenden Worten: »Hamda, unser aller Todesstunde liegt im Ratschluss des Herrn, und die meine ereilt mich heute. Du aber sieh zu, dass es dir gelingt, Cordoba wieder zu erreichen. Versuche, zu meiner über alles geliebten Herrin Valada vorzudringen. Gib ihr zurück, womit sie mich einst beglückt und geehrt hat, und bestelle ihr, dass, bevor ich das Sterbegebet anstimme, ihr süßer Name das Letzte sein wird, was auf meinen Lippen ist. Lebe wohl.«
Und sie holte das Perlenband hervor, ließ es in meine Hände gleiten und verschwand, als habe sie die Erde verschluckt. Und hätte ich nicht dies Vermächtnis, ich hätte fast geglaubt, die alte Frau sei nur ein Phantom aus einer anderen Welt gewesen. Aber nun, meine für immer Geliebte, sende ich dir das schöne Pfand zurück, das ich mit dem Nass meiner Augen benetzt habe. Wenn du es in Händen hältst und ebenfalls das Schicksal Kasmunas beweinst, so
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