Valadas versinkende Gaerten
Attacke?
Mein Herz schlägt ganz oben im Hals, und mein Magen drängt sich hinterher.
Aber dann entdecke ich in der Kante des Türrahmens zwei Schwertkerben. Übliches Zeichen dafür, dass hier eine offiziel le Maßnahme, eine richterliche Bestrafung oder eine Verhaftung, stattgefunden hat. Eine Anzeige? Ein Verdacht? Das allein dürfte genügen.
Der plötzliche Reichtum meines Vaters . . . die Geschäfte mit Ausländern, von denen er mir so stolz und prahlerisch erzählt hatte, immer wieder, wenn ich ihn besuchte . . .
Ich wollte, ich wäre mäuseklein. Bin froh, so dunkel gewandet zu sein und den Gesichtsschleier zu tragen. Und so schleiche ich mich durch die geborstene Pforte in das Haus, in dem ich geboren wurde und aufwuchs, als sei ich eine Diebin, unwissend, was mich erwartet.
Im Innenhof Stille. Der Mailis, der Empfangsraum, ausgeräumt bis auf das letzte Sitzkissen und den letzten Vorhang. Der Raum meines Vaters, sein Schreibtisch: herausgerissene Schubladen, durcheinandergeworfene Papiere. Die Geldschatulle, die in der letzten Zeit immer wohlverschlossen in einer Truhe verborgen war, klafft offen und leer mitten auf dem Tisch.
Von den beiden Sklaven, die er gekauft hatte, keine Spur. Ein Geisterhaus.
Ich wende mich zum Haram, zum Frauentrakt.
Sie hocken beieinander wie zwei Hühner, über denen der Habicht kreist: unsere alte Dienerin Dawja und das Frauenzimmer, das sich mein Vater für seinen Schwanz zugelegt hat, und verbergen ihre Köpfe unter erhobenen Armen.
»He, ihr!«, sage ich halblaut. »Ich bin's, die Tochter des Hauses. Auf eure Füße! Was ist hier geschehen?«
Dawja zumindest löst sich aus ihrer Angststarre und siehtzu mir auf, die Augen gerötet, die Mundwinkel nach unten verzogen.
»Rettet Euch, junge Herrin! Alles ist aus!«
»Ich habe keine Ahnung, wovor ich mich retten soll!«, sage ich und werde langsam ungeduldig. »Aber von dir erwarte ich, dass du mir erzählst, was hier wann vorgegangen ist. Steh endlich auf, und du da, du auch. Seht ihr nicht, dass hier keiner ist, der euch etwas antun will?«
Sie gehorchen schließlich, blicken sich um, als könnte aus jedem Winkel ein böser Kerl auftauchen und ihnen wer weiß was antun, und allerdings scheinen sie nicht ganz grundlos so furchtsam zu sein, denn offensichtlich haben sie das übliche Wehgeschrei angestimmt, als hier die Haustür splitterte und die Bewaffneten eindrangen, und haben ein paar Schläge einstecken müssen; zumindest hat die breitärschige Beischläferin Kasims ein blaues Auge abbekommen.
Dawja ist nicht gerade begabt, etwas zu erzählen. Aber dann bekomme ich es doch aus ihrem Gestammel und Geseufze heraus:
Es ist noch keine Stunde vergangen seit der Aktion. Mitglieder der Shorta, der Stadtwache, unter Führung eines Gerichtsbeauftragten, sind eingedrungen, haben Kasim, den Feigenhändler, wegen unerlaubter Geschäfte mit Ausländern, Hehlerei, Unterschlagung, Steuerbetrug und anderen Dingen, für die Dawja keine Worte findet, in Haft genommen, alle Sachen von Wert, einschließlich der beiden Sklaven, beschlagnahmt und sind mit ihrer Beute samt dem Hausherrn abgezogen. Dass die Beamten die beiden Weiber zurückgelassen haben, ist – so schließe ich – nur der Tatsache zu verdanken, dass sie in diesen abgehalfterten Weibsbildern keine Wertgegenstände erblicken konnten.
All das berichtet mir Dawja unter ständigem Geheul der anderen, die sich zu ihrem blauen Auge zusätzlich auch noch die Wangen zerkratzt und droht, sich das Kleid vom Leib zureißen, um ihre Brüste mit den Nägeln zu malträtieren. Was ich ihr untersage. Das wären ja Sterbezeremonien, und mein Vater ist nicht tot. Noch nicht.
Ich lasse die beiden Klageweiber allein und gehe weiter durch das verwüstete Haus.
Kasim, der Narr, der den Kopf hingehalten hat für andere, die sich gewiss aus der Affäre zu ziehen wissen . . . Ausländischen Kaufleuten kann ohnehin nichts passieren, außer, dass man sie der Stadt verweist und sie vielleicht einiges an Buße zahlen lässt oder ihre Waren konfisziert, soweit sie die nicht in Sicherheit gebracht haben. Aber mein Vater ist ein Bürger Cordobas, und leider keiner, der einer Adelssippe oder einer vornehmen Fernhändlersfamilie angehört, er kennt keine Rechtsgelehrten und hat niemanden in der Verwandtschaft, der ihm Beistand leisten könnte. Er ist nichts als ein kleiner Obsthändler, der übers Ziel hinausgeschossen ist. Er kann nicht einmal jemanden bestechen, denn ich glaube kaum, dass
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