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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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still!«, sage ich voller Zorn. »Wenn ich es recht bedenke: Vielleicht ist das sogar eine Intrige, die du gemeinsam mit deinem einstigen Feind gegen mich gesponnen hast, um mich von meiner Geliebten zu entfremden. Ich habe genug von euch Männern.«
    Und ich gehe, Kasmunas Perlen an mein Herz gepresst, verlasse den Alcazar und winke die Sänftenträger fort.
    Erhobenen Kopfes gehe ich die Stufen hinunter, Zorn und Stolz im Herzen. Ich bin, die ich bin, man betrügt mich nicht!
    Auf dem Platz vor der Residenz sitzen, wie fast immer, ein paar Bettler herum. Sie strecken die Hände aus, huldigen mir.»Prinzessin! Sayyida aus dem Haus der Nachkommen des Propheten!«
    Keiner soll mir nachsagen, dass ich an Freigebigkeit hinter anderen Fürsten zurückstehe . . .
    Bei meinem eiligen Aufbruch von zu Haus habe ich keine Münzen zu mir gesteckt. So bleibe ich stehen und reiße die Stickereien vom linken Ärmel meines Mantels ab   – schweres Gold!   –, rechts bin ich geschickter im Hantieren.
    »Die Wange reich ich dem, den ich erkoren.   / Wer meinen Kuss begehrt   – er kann ihn haben.«
    Mögen sie es unter sich aufteilen.   –
    Ibn Zaydun, statt mich mit Lügen zu füttern und mit Versen zu überrumpeln, kümmere du dich um deinen Auftrag.
    Der Auftrag.
Mein
Auftrag.
    Ich denke, so muss sich ein hungriges Tier fühlen, das seine Beute wittert. Alle meine Sinne sind aufgewühlt, meine Nerven fiebern hin auf das Ziel. Ich muss es haben.
    Will es glauben, dass es geschieht. Was bedeutet, dass es geschehen
muss
. Das. Und bald.
    Schneller, Ibn Zaydun! Das eben war keine Antwort auf meinen Brief. Willst du mich hinhalten?

21
    KASMUNA.
    Spiegelglatt ist der Fluss. Und die Farbe erinnert mich an die Augen von jemand, den ich einmal kannte. Das war vor langer Zeit. Oder in einem anderen Leben.
    Der Fluss blickt mich an, und ich blicke zurück. Ich gehe der Strömung entgegen, Schritt für Schritt. Ich weiß nicht, wohin er will. In seine Richtung will ich nicht, aber das nimmt er mir nicht übel. Er bietet mir immer neue Wasser an, verschwenderisch, gleichmütig.
    Wie ich hierhergekommen bin, vermag ich nur zu ahnen. Irgendwann brach die Welt in Stücke, und die Stücke waren jedes für sich ein Tor, durch das man in die Hölle sehen konnte.
    Und mitten in meinem Leib steckte der Schmerz. Ich konnte ihn mit beiden Händen umklammern, mich an ihm festhalten, ihn hin und her bewegen in mir, ihn mal schriller, mal dumpfer werden lassen. Dazu hörte ich meine eigene Stimme, mein Wimmern. Zwischen den Feuerwellen von Schmerz gab es das Dunkle. Das Dunkle war gut.
    Einmal wachte ich auf aus dem Dunkel, und der Schmerz war noch da, aber ich konnte ihn nicht mehr greifen. Über dem Schmerz war etwas anderes, das ihn nach innen drückte.
    Jemand gab meinen Lippen Wasser und rauchig schmeckendes Brot.
    Ich öffnete meine Augen nicht, denn da mussten andereMenschen sein, und Menschen flößten mir Angst und Abscheu ein.
    Der Schmerz veränderte sein Wesen. Er schrumpfte mehr und mehr, und irgendwann war er nur noch ein dumpfer Punkt in mir.
    Dann wurde ich gefahren, und das brachte wieder den Schmerz hervor. Aber das war nicht weiter schlimm. Er war ja inzwischen so etwas wie mein Bruder.
    Ich hielt meine Augen weiter geschlossen. Doch um mich herum waren Stimmen. Zuerst zogen sie an meinen Ohren vorüber wie Vogelgezwitscher oder das Bimmeln von Glöckchen am Geschirr von Maultieren. Ich war diesen Stimmen dankbar, denn sie verdrängten die Schreie von Mensch und Tier, die sich in meinem Kopf eingenistet und festgehakt hatten wie ein Blutegel am Leib. Jene Schreie, die begannen, als die Welt in Stücke brach.
    Und es kam der Tag, an dem ich einige Worte verstand. Sie bahnten sich einen Weg durch das Durcheinander in meinem Kopf, und ich erkannte sie. Es waren Worte in meiner ersten Sprache. In Hebräisch.
    »Wie konnte sie das überleben«, sagte die eine, und die andere Stimme antwortete: »Der Allmächtige hat seine Hand über sie gehalten. Der Pfeil, den ich herausgeschnitten habe, traf direkt ihr Sternum und steckte wie durch ein Wunder dort fest. So wurde kein lebenswichtiges Organ verletzt.«
    Die Hand des Allmächtigen habe ich nicht gespürt. Mein Sternum. Es fiel mir ein, dass das Sternum das Brustbein ist. Ich sehe den vor mir, der den Bogen aufhob und die Sehne spannte, und vielleicht war er nicht so geschickt in der kriegerischen Kunst und verlieh dem Pfeil nicht die ganze Wucht, die hinter einem solchen Schuss

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